LNV-Tagung „Zukunftsforum Naturschutz“
am 13.11.2021 im Hospitalhof Stuttgart
Die Auswirkungen auf Böden, Gewässer, Artenvielfalt, Wälder und Landwirtschaft sind dramatisch
Appell: Klima- und Naturschutz zusammendenken!
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Beim „Zukunftsforum Naturschutz“ in Stuttgart haben zahlreiche Experten dargelegt, dass der Klimawandel bereits heute Böden, Landschaften und Lebensräume dramatisch verändert und Natur, Forst- und Landwirtschaft vor gewaltige Herausforderungen stellt. Die mit über 170 Gästen ausgebuchte Tagung des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV) machte deutlich, dass Klima- und Naturschutz nicht losgelöst voneinander zu betrachten sind und keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden dürfen.
„In einer sich rasant verändernden Umwelt wird der traditionell eher statische Naturschutz flexibler werden müssen – auch mit Blick auf das EU-Recht“, sagte der LNV-Vorsitzende Dr. Gerhard Bronner. Eine deutliche Absage erteilte er jedoch Bestrebungen, die Idee der Schutzgebiete aufzugeben. „Ja, Moore, Heiden und Streuobstwiesen werden sich in ihrer Artenzusammensetzung verändern. Sie werden aber weiterhin artenreiche Lebensgemeinschaften beherbergen, die unseren besonderen Schutz benötigen.“
Funktionierenden Biotopverbund einrichten
Unumgänglich sei es, einen funktionierenden Biotopverbund einzurichten, damit Arten zuwandern und ihre Areale verschieben können – etwa weiter nach Norden oder in die Höhe. „Soweit die Bewirtschaftung mancher Flächen zukünftig unrentabel wird, sollte sich der Naturschutz dringend Gedanken über deren Entwicklung machen“, mahnte Bronner. Diese Flächen könnten für die Natur einen Mehrwert bieten, auch wenn sie für die Land- und Forstwirtschaft verloren seien.
Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas sind die beiden großen Menschheitsaufgaben
Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann hob in seinem Vortrag hervor, dass der Naturschutz angesichts des dramatischen Artensterbens jeden Tag neu gedacht und angepasst werden müsse, um ihn in Einklang mit dem Klimaschutz zu bringen. „Der Schutz der biologischen Vielfalt und der Klimawandel sind die beiden Menschheitsaufgaben unserer Zeit, die wir gemeinsam denken müssen. Die Folgen des Klimawandels werden uns erhebliche Anstrengungen abfordern, einzelne Lebensgemeinschaften und Artenpopulationen in der gegenwärtigen Form zu erhalten“, sagte Baumann in seiner Rede.
Umso wichtiger sei es, sektorale Denk- und Handlungsprozesse über Bord zu werfen. „Nur gemeinsam mit allen Akteuren auf der Fläche, allen Landnutzenden können wir die Klimaveränderung bremsen und den Naturschutz mit dem Klimaschutz gewinnbringend für alle verbinden.“ Daher sei der zweite zentrale Handlungsstrang der Landesregierung ein vernetztes und übersektorales Agieren. „Zum einen müssen wir im Land die Resilienzen unserer Ökosysteme stärken, um eine Dynamik zulassen zu können, dabei müssen wir auch unsere vorhandenen Schutzgebiete sichern und zukunftsfähig machen.“ Als Beispiele nannte Baumann den verstärkten Moorschutz oder den landesweiten Biotopverbund, den die Landesregierung gesetzlich verankert hat.
Referenten des diesjährigen Zukunftsforums Naturschutz
Prof. Dr. Thomas Potthast von der Universität Tübingen stellt dar, dass Klima- und Naturschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, sondern im Gegenteil zusammengebracht werden sollten.
Dr. Kai Höpker von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg stellt die aktuellen Fakten zum Klimawandel in Baden-Württemberg vor.
Dr. Peter Finck vom Bundesamt für Naturschutz berichtete, wie der Klimawandel Arten und Lebensräume bedroht. Um die Biodiversität zu erhalten, seien zukünftig erhöhte Anstrengungen des Naturschutzes nötig.
Dr. Axel Albrecht von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt BW referierte über die Auswirkungen und Herausforderungen in den Wäldern. Vor dem Hintergrund der Klimaänderungen sei eine Dynamisierung der Waldentwicklungsziele notwendig.
Dr. Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle Aulendorf berichtete über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer.
Prof. Dr. Jean Charles Munch von der l’Académie d’Agriculture de France rückte die Veränderungen der Böden in den Fokus und drängte auf eine ganze Palette an Maßnahmen, um die Bodenfunktionen auch im Angesicht des Klimawandels zu erhalten – angefangen bei der Reduktion der Versiegelung über eine bodenschonendere Landwirtschaft bis hin zum Stopp des Ausverkaufts von Agrarflächen an Investoren.
Christoph Zimmer, Bioland, betonte, dass der Ökolandbau einen großen Beitrag für mehr Klima- und Umweltschutz leiste: „Mit Leguminosenanbau, flächenbezogener Tierhaltung und dem Aufbau von Humus schaffen die Bäuerinnen und Bauern unserer Bio-Anbauverbände beste Lösungen. Dabei bietet der Ökolandbau ein bewährtes und kontrollierbares System, das gleichermaßen gesunde Lebensmittel liefert und den Schutz der Lebensgrundlagen sichert.“
Veranstalter des Zukunftsforums Naturschutz sind der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg als Dachverband der Natur- und Umweltschutzverbände im Südwesten sowie das Evangelische Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart.
Hintergrund:
Prognosen gehen davon aus, dass bis 2050 die Jahresmitteltemperatur in Baden-Württemberg von heute 8,4 Grad auf 10,9 bis 12 Grad ansteigt. Zugleich vervielfacht sich demnach die Anzahl der heißen Tage mit mindestens 30 Grad von heute durchschnittlich vier auf bis zu 13 Tagen. Auch die Menge und die Verteilung der Niederschläge wird sich massiv verändern.
Die Folgen dieser Klimaveränderung für Natur und Umwelt, für die Ökosysteme und Biodiversität, den Wald, den Boden und das Leben der Menschen sind drastisch. Dürren, verheerende Überschwemmungen, abgestorbene oder völlig veränderte Wälder, eine andere Landwirtschaft, zuwandernde Arten und neue Krankheiten sind nur einige davon.