Wiederherstellung der Natur als Chance und Herausforderung

Wie kann die neue EU-Verordnung von Naturschutz, Verwaltung, Land- und Forstwirtschaft erfolgreich umgesetzt werden?

LNV-Tagung „Zukunftsforum Naturschutz“ in Stuttgart

Das 25. „Zukunftsforum Naturschutz“ des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV) hat am Samstag (22.11.2025) herausgearbeitet, wie die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur umgesetzt werden kann und welche Herausforderungen damit verbunden sind. Über 200 Interessierte verfolgten die Vorträge der Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis im Hospitalhof Stuttgart.

2024 hat die Europäische Union gegen erhebliche Widerstände das „Nature Restoration Law“ verabschiedet, die EU-Wiederherstellungsverordnung (WVO). Sie gilt in allen EU-Ländern unmittelbar wie ein Gesetz. So sollen die seit Langem geltenden europäischen und globalen Verpflichtungen eingelöst werden. Unter anderem schreibt sie vor, dass 30 Prozent der Land- und Binnengewässerflächen unter Schutz zu stellen sind. Der Zeitplan ist straff: Die nationalen Wiederherstellungspläne, die aufzeigen, wie die Staaten die Ziele erreichen wollen, sollen im Entwurf bis September 2026 vorliegen.
„Die Wiederherstellungsverordnung adressiert Ziele, die schon in anderen europäischen Verordnungen und Richtlinien festgehalten sind. Durch konkrete Vorgaben für Fristen und für Flächen werden diese endlich verbindlich. Wichtig ist nun, alle Akteure einzubinden und bei der konkreten Umsetzung auf die schon vorhandenen Instrumente und Werkzeuge aufzubauen. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden sondern endlich zum Laufen bringen“, betont LNV-Chef Dr. Gerhard Bronner in seiner Einführung.

Biodiversität stärken statt lediglich frühere Zustände wiederherstellen

Professor Thomas Potthast, Biologe und Philosoph an der Universität Tübingen, legte in seinem Vortrag dar, dass die Ziele der WVO ethisch und rechtlich sehr gut begründet sind. Bei der Umsetzung gehe es nicht primär darum, früherer Zustände möglichst exakt wiederherzustellen, wie es der Name der Richtlinie nahelegt. Vielmehr ist das Ziel, die äußerst kritische Situation der biologischen Vielfalt zu verbessern und die Leistungsfähigkeit von Ökosystemen zu verbessern.
Sebastian Olschewski, Referatsleiter im Umweltministerium Baden-Württemberg, und Dr. Dorothee Braband, Referatsleiterin im Regierungspräsidium Tübingen, skizzierten, wie das Bundesamt für Naturschutz (BfN) derzeit den nationalen Wiederherstellungsplan für Deutschland erarbeitet und welche Rolle die Naturschutzverwaltung dabei spielt. Verschiedene Bund-Länder-Gremien etwa aus Landwirtschaft, Forst und Naturschutz arbeiten dem BfN direkt zu. Die Dateneingabe der Bundesländer sei mittlerweile abgeschlossen.
„Parallel laufen bereits Maßnahmen zur Wiederherstellung“, sagte Olschewski. „Denn vieles von dem, was wir im Naturschutz schon tun, trägt zum Erreichen der Ziele der Wiederherstellungsverordnung bei. Dazu gehören beispielsweise Maßnahmen aus den Natura 2000-Managementplänen, der Moorschutz, der Biotopverbund sowie die Umsetzung des FFH-Mähwiesenschutzes. Die Wiederherstellungsverordnung birgt große Chancen, stellt für alle Akteure aber auch eine Herausforderung dar.“

Land- und Forstwirtschaft bereit, ihren Beitrag zu leisten

Die Sicht der Landnutzenden brachten Bernhard Bolkart, der Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLNV), sowie Reinhold Mayer, der Vorsitzende des Landeswaldverbands Baden-Württemberg (LWV), in die Diskussion ein. Beide betonten, dass in der Land- und Forstwirtschaft bereits heute nachhaltig und naturverträglich gewirtschaftet werde und die Landnutzenden unbedingt in die Planungen einbezogen werden müssten. „Wir stehen bereit, unseren Beitrag zu leisten, wenn es gewünscht ist – gemeinsam, partnerschaftlich und zukunftsorientiert“ sagte Bernhard Bolkart. Zugleich mahnte er an, den Landnutzenden nicht einfach etwas überzustülpen durch immer neue Regeln, sondern mit ihnen in den Dialog zu gehen. Reinhold Mayer betonte „Für den Landeswaldverband ist entscheidend, die Waldnaturschutzkonzeption und die flächige Waldnaturschutzberatung umsetzen zu können“.

Praktische Ansätze

Der Landschaftsökologe Dr. Alois Kapfer vom Verein Naturnahe Weidelandschaften plädierte in seinem Vortrag für einen Paradigmenwechsel im Naturschutz. Die bisherige Naturschutzpraxis müsse um großflächige Beweidungsprojekte ergänzt werden, um die Ziele der Wiederherstellungsverordnung zu erreichen. Denn große Pflanzenfresser hätten einst zur Entstehung der ursprünglichen Landschaften und der damit einhergehenden großen Biodiversität entscheidend beigetragen. Großflächige, naturnahe Beweidung sei daher auch heute das geeignete Mittel, um diese Biodiversität heute wiederherzustellen.
Wie die (Wieder-)Herstellung von Lebensräumen vor Ort funktionieren kann zeigte der Geschäftsführer des LEV Ostalbkreis, Ralf Worm.

Wiederherstellungsverordnung als Chance

Am Ende der Veranstaltung stimmten die Vorsitzenden von BLHV, LNV und LWV überein, dass die Ziele der WVO nur mit wesentlich vereinfachten Förderinstrumenten und entbürokratisierten Verwaltungsverfahren erreicht werden können. Erforderlich ist zudem ein koordiniertes, ressortübergreifendes Vorgehen und eine ausreichende Finanzausstattung. Wichtig ist auch, dass bestehende Monitoringsysteme genutzt und bei Bedarf ergänzt werden, beispielsweise die Bundeswaldinventur.
Ein wesentlicher Akteur für die Umsetzung könnten die Landschaftserhaltungsverbände (LEV) sein, in denen bereits jetzt Naturschutz und Landnutzung zusammengeführt werden.
Alle drei Verbände nannten als Voraussetzung für den Erfolg der WVO eine vertrauensvolle Kooperation zwischen Naturschützern und Landnutzern. Sie waren sich einig, dass das Zukunftsforum Naturschutz dazu beigetragen hat.
Veranstalter des Zukunftsforums Naturschutz sind der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg als Dachverband der Natur- und Umweltschutzverbände im Südwesten so-wie das Evangelische Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart.

Rückblick auf Zukunftsforum 2025
weitere Infos: https://lnv-bw.de/veranstaltung/zukunftsforum2025/