Naturschutzbeauftragte: Forderungen für die Zukunft

LNV-Info 3/2022
Gemeinsame Position von LNV und der Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzbeauftragten

Situation
Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das ehrenamtliche Naturschutzbeauftragte (NSB) kennt. In der Vergangenheit, als die Naturschutzbehörden noch keinerlei Fachpersonal (und auch sonst wenig Personal) hatten, war nur durch sie eine halbwegs geordnete Naturschutzarbeit möglich. Heute verfügt zwar jeder Kreis über mehrere hauptamtliche Naturschutzfachkräfte, allerdings sind auch die Aufgaben immens angewachsen. Neben der reinen Arbeitsleistung ist insbesondere das Recht der Naturschutzbeauftragten wichtig, weisungsunabhängige Stellungnahmen abzugeben, die nicht zwingend mit derjenigen des Landratsamtes übereinstimmen müssen. Findet keine Einigung zwischen unterer Naturschutzbehörde (UNB) und Naturschutzbeauftragtem statt, kann er/sie die Sache unter bestimmten Voraussetzungen der höheren Naturschutzbehörde vorlegen (Vorlagerecht, § 59 Abs. 5 NatSchG).

Schwer, geeignete Personen zu finden
Insbesondere seit der letzten Verwaltungsreform (SOBEG II) wird es zunehmend schwer, geeignete Personen zu finden. Zahlreiche NSBs sind mittlerweile auch formelle Beschäftigte der Landratsämter, wodurch ihre Unabhängigkeit gefährdet sein kann. Die Erfahrungen mit NSB sind unter dem Strich positiv. Wenn es sich um fachlich kompetente und kommunikativ begabte Personen handelt und die Schnittstellen gut definiert sind, können sie der UNB Arbeit abnehmen und für eine Präsenz des Naturschutzes sorgen, die der UNB in der eigenen Personalausstattung nicht möglich wäre. In strittigen Fällen können sie die UNB zu Korrekturen animieren. Ehrenamtliche Bürger zu gewinnen, die die ganze erforderliche Breite des Naturschutzes abdecken, ist mittlerweile allerdings sehr schwer geworden.

Problem: Bestellung durch Kreistag
Als weiteres Problem hat sich die Bestellung durch die Kreistage herausgestellt. Dort besteht manchmal die Tendenz, „pflegeleichte“ NSBs zu wählen. In der letzten Zeit hat sich gezeigt, dass dies eine kritische Regelung ist. Naturschutzbeauftragte kommen – wenn sie ihre Sache ernst nehmen – zwangsläufig gelegentlich in Konflikt mit kommunalen Interessen. Sie müssen offen für pragmatische Lösungen sein, aber auch die Sache des Naturschutzes vertreten und auf der Einhaltung der Naturschutzgesetze bestehen. Dies wird von kommunalen Entscheidungsträgern nicht immer akzeptiert. Genau die sitzen aber im Kreistag, der über die Bestellung der Naturschutzbeauftragten entscheidet. Interessenkonflikte sind so vorprogrammiert, die die Unabhängigkeit der Naturschutzbeauftragten in Frage stellen. Es gab mehrere Fälle, in denen Kreistage besonders qualifizierte, aber unbequeme NSBs abgewählt bzw. nicht im Amt bestätigt haben.

Und schließlich ist die Ausstattung der NSBs ins Belieben des jeweiligen Landratsamtes gestellt. Erstattung von Reisekosten, ein angemessener Auslagenersatz, die Ausstattung eines Heimarbeitsplatzes und Zugang zu Umweltinformationen sollten eine Selbstverständlichkeit sein, sind es aber nicht.

Forderungen für die Zukunft
Die Institution der ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten soll beibehalten werden. Sie bewirkt immenses ehrenamtliches Engagement, ohne das in vielen Landkreisen die Unteren Naturschutzbehörden ihren Aufgaben nicht vollständig nachkommen könnten. Um die Institution der Naturschutzbeauftragten noch wirksamer zu machen, fordern die Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzbeauftragten und der LNV folgendes:

  • Für neue Naturschutzbeauftragte werden Einführungskurse eingeführt, in denen Fach-, Verwaltungs-, Verfahrens- und Rechtskenntnisse vermittelt, kommunikative Fähigkeiten geschult und die durch ein qualifiziertes Zertifikat abgeschlossen werden. Diese Kurse sollen gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der NSB konzipiert werden. Auch eine regelmäßige qualifizierte Weiterbildung ist zu gewährleisten und eine Hospitation bei Fachbehörden anzubieten.
  • Die Berufung eines Naturschutzbeauftragten erfolgt im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidium. Dies soll nicht als generelles Misstrauen gegenüber den gewählten Kreisräten interpretiert werden, sondern als Regelung im Sinne der Gewaltenteilung, um Interessenskollisionen zu vermeiden.
  • In einem Handbuch und einer Geschäftsordnung werden Rechte und Pflichten der NSB dargelegt und Arbeitshilfen gegeben. Dort sind geeignete Vorgehensweisen bei der Sachbearbeitung von typischen Fällen zu erläutern (Schutzgebietsausweisung, Befreiungen, Außenbereichsbauten, Eingriffsregelung, artenschutzrechtliche Fälle, Natura 2000 etc.). Die Erarbeitung soll in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der NSB erfolgen.
  • Für die Naturschutzbeauftragten werden in Zusammenarbeit mit der Akademie für Natur- und Umweltschutz Workshops zur Auffrischung von Artenkenntnissen angeboten.
  • Den Naturschutzbeauftragten müssen geeignete Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden. Die Ausstattung mit Laptops ist für die Arbeit mit digitalen Akten heute eine Selbstverständlichkeit.
  • Die rasche Einrichtung datenschutzrechtlich konformer dienstlicher Email-accounts ist unerlässlich.
  • Die Naturschutzbeauftragten sollen für Tätigkeiten, die während ihrer normalen Arbeitszeit stattfinden, sowie für Fortbildungen freigestellt werden. Ihre Reisekosten und ihr sonstiger Aufwand müssen angemessen vergütet werden.
  • Die monatliche steuerfreie Aufwandsentschädigung von 200 € ist seit Jahrzehnten nicht erhöht worden. Das Land darf aber aus steuerrechtlichen Gründen nicht mehr bezahlen. Der Bund muss hier das Steuerrecht ändern und die Benachteiligung von NSB gegenüber beispielsweise Übungsleitern in Vereinen oder ehrenamtlich in der Landschaftspflege Tätigen Beenden.
  • Die Vernetzung der Naturschutzbeauftragten durch Einrichtung eines Intranets muss vorangetrieben werden.

Dieses LNV-Info 3/2022 ersetzt das LNV-Info 01/2013, das hiermit seine Gültigkeit verliert.
Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge ist die LNV-Geschäftsstelle stets dankbar.

download als pdf-Datei: LNV-Info zu Naturschutzbeauftragten