Bild: Wolfgang Staiger

Gäubahn in Stuttgart erhalten

LNV begründet seinen Widerspruch gegen die Kappung beim Eisenbahnbundesamt

Für Erhalt von Bahninfrastruktur, keine Unterbrechung und kein Abbau von Gleisen der Gäubahn von Zürich nach Stuttgart ab Mitte 2025
Umsteigezwang in Stuttgart-Vaihingen ist kundenfeindlich und umweltschädlich

Pressemitteilung zum Download: Gäubahn in Stuttgart erhalten
vollständiger Widerspruch zum Download: LNV Widerspruchsbegründung Gäubahnkappung ans Eisenbahnbundesamt (EBA)

Der Landesnaturschutzverband (LNV) wehrt sich gegen die Kappung der Gäubahn von Zürich nach Stuttgart in Stuttgart-Vaihingen und den Abbau der Gäubahngleise 2,5 km vor dem Hauptbahnhof ab Mitte 2025. Er hat dem Eisenbahnbundesamt (EBA) am 9. November 2023 seine Widerspruchsbegründung gegen die Kappung übermittelt.

Gestützt auf mehrere Rechtsgutachten hatte der LNV im Juni 2022 beantragt, für die Unterbrechung der direkten Schienenverbindung zum Hauptbahnhof ein Verfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) zu wählen. Denn die Unterbrechung soll inzwischen mindestens sieben Jahre dauern, wohingegen der unzureichende Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2005 von einer nur etwa sechsmonatigen Unterbrechung ausgeht. Diesen LNV-Antrag hatte das EBA am 1. August 2023 abgelehnt, vor allem mit der Begründung, der LNV sei gar nicht antragsbefugt. Der LNV hat dagegen am 18. August Widerspruch eingelegt und diesen nun begründet.

Umsteigen in Stuttgart-Vaihingen treibt Bahnreisende ins Auto
In seiner Begründung betont der LNV insbesondere, dass er als nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannter Umweltverband sehr wohl antragsbefugt ist. Der viele Jahre dauernde Stopp der Fernzüge aus Richtung Zürich und der Pendlerzüge aus Singen-Tuttlingen-Rottweil-Horb zwingt Bahnreisende zum Umsteigen in Stuttgart-Vaihingen. Dies führt zu einer Attraktivitätsminderung der Bahnverbindung mit allen negativen Folgen für Klima und Umwelt, wenn die Reisenden auf das Auto umsteigen. Gerade der Ausbau von Direktverbindungen ist aber eines der tragenden Argumente für den neuen Bahnhof Stuttgart 21. „Soll das jetzt alles nicht mehr gelten und der Nachteil des Umsteigenmüssens klein geredet werden?“, fragt der Landesvorsitzende des LNV Dr. Gerhard Bronner. Alle, die mit der Gäubahn nach Stuttgart reisen und dann weiterfahren wollen (Richtung Würzburg, Nürnberg, Mannheim oder München) müssen zum Hauptbahnhof und wollen nicht in Vaihingen umsteigen.

Auch die Möglichkeit einer Verlängerung der S-Bahn bis Horb oder gar Rottweil kann keinen angemessenen Ersatz für eine interimsweise Beibehaltung des derzeitigen Schienenangebots auf den zwei Gäubahngleisen bieten, weder vom Fahrkomfort her (Toiletten?) noch von der Reisezeit solch überlanger S-Bahnverbindungen.

Wenig Fahrgäste? Aber über 1 Milliarde Euro für 11 km Pfaffensteigtunnel?
Die Bahn behauptet, es seien nur relativ wenige Fahrgäste von der Unterbrechung betroffen. Dies widerlegt der LNV unter anderem mit Hinweis auf die täglich rund 8.000 Fahrgäste auf der Panoramabahn. So wird der Gäubahn-Abschnitt zwischen Stuttgart-Vaihingen und Stuttgart-Hauptbahnhof wegen der schönen Aussicht über die Stadt genannt. Wenn die bisherige Direktverbindung so bedeutungslos ist, dass man auf sie viele Jahre verzichten kann, stellt sich die Frage, warum für über 1 Milliarde Euro der 11 km lange Pfaffensteigtunnel (zwischen Böblingen und Flughafen) gebaut werden soll, um irgendwann ab 2032 die Gäubahnfahrgäste über den Flughafen doch wieder direkt zum Hauptbahnhof befördern zu können. Der LNV regt an, dies auch unter dem Blickwinkel der gebotenen Haushaltsdisziplin und des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern zu betrachten.

4-6 Monate Unterbrechung contra mindestens sieben Jahre
Die lange Dauer der Unterbrechung der internationalen Schienenverbindung von Zürich nach Stuttgart in Stuttgart-Vaihingen ist kein Pappenstiel. Im ursprünglichen Konzept war von 4-6 Monaten die Rede. „Mittlerweile aber“, so der Verkehrsreferent des Landesnaturschutzverbands Stefan Frey, „steht fest, dass die Unterbrechung selbst nach Bahnangaben mindestens sieben Jahre dauern wird, bis 2032 oder später eine Direktverbindung über den Flughafen hergestellt wird. Das ist das 14-fache der ursprünglichen Zeitplanung.“ Zudem hinkt das 2021 begonnene anspruchsvolle Planungsverfahrens für den 11 km langen Pfaffensteigtunnel jetzt schon hinterher.

Beibehalt von Zufahrt zum Hauptbahnhof laut 2. Faktencheck machbar
Mit einer Beibehaltung von ein oder zwei Gleisen zum Hauptbahnhof lässt sich mit vertretbarem Aufwand das Problem beheben. Das ist bei unvoreingenommener Auswertung das Ergebnis der Gutachten zum 2. Faktenchecks zum Gäubahnerhalt vom September 2023. Die Pläne der Stadt Stuttgart auf dem immerhin 85 ha großen Planungsgebiet würden dadurch nur in begrenztem Umfang berührt; dies wird jedoch durch die erheblichen Vorteile für die Bahnreisenden mehr als aufgewogen. Zudem: Wegen technischer und verfahrensmäßiger Vorlaufzeiten ist vor etwa 2032 ohnehin kein Wohnungsbau im Planungsgebiet möglich.

Gute Anschlüsse in alle Richtungen nur ab Hauptbahnhof
Um die Auswirkungen einer Gäubahnkappung und des Gleisabbaus zu relativieren verweist die Bahn auf gute innerstädtische ÖPNV -Verbindungen ab Stuttgart-Vaihingen (4 S- Bahnlinien und 3 Stadtbahnlinien-Äste). Der LNV hält dem entgegen, dass Bahnfahrenden ab Stuttgart-Hauptbahnhof indessen deutlich mehr S-Bahn- und Stadtbahnlinien zur Verfügung stehen (6 S-Bahnlinien und 16 Stadtbahnlinien-Äste, also ein Verhältnis von 11 zu 28 Fahrtzielen). Den von Deutscher Bahn und EBA hervorgehobenen geplanten Teilerhalt der Gäubahn bis zum erst noch zu bauenden Nordhalt nahe des Nordbahnhofs sieht der LNV als nur bedingt hilfreich an, weil auch dann viele Reisende auf dem Weg zum Hauptbahnhof umsteigen müssen.

Dr. Gerhard Bronner und Stefan Frey betonen daher: „Die Unterbrechung der Gäubahn kommt zu früh, sie dauert zu lang und sie ist für den Bauablauf von Stuttgart 21 nicht erforderlich. Eine Rücksichtnahme auf die Belange der Bahnkunden und der Umwelt sieht anders aus.“

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