Stellungnahme des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg
zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wasser- und naturschutz-rechtlicher Vorschriften zur Untersuchung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie des Bundesministeriums für Umwelt und Bauen (BMUB)
Vorbemerkung
Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg hat mit Datum 19.03.2013 zu einem ersten Entwurf des BMUB von Regelungen zum Einsatz des Fracking-Verfahrens im Rahmen des Wasserhaushaltsgesetzes Stellung genommen.
Der nun vorliegende Entwurf des BMUB, Stand 19.12.2014, weist sehr wesentliche Verbesserungen zum Schutz der Gewässer sowie von Umwelt, Natur und Landschaft auf, umgeht jedoch weiterhin ein grundsätzliches Verbot des Fracking-Verfahrens zur unkonventionellen Erdgasgewinnung im Bundesbergrecht, Wasserrecht und Naturschutzrecht.
Nachfolgende Stellungnahme enthält sowohl generell und bundesweit geltende als auch speziell für Südwest-Deutschland bzw. Baden-Württemberg gültige Kritikpunkte und Hinweise.
Stellungnahme
1. Das Verbot von Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas (Artikel 1, Wasserhaushaltsgesetz § 13a (1), 1.) oberhalb 3000 m Tiefe ist für Baden-Württemberg von grundlegender Bedeutung, da hier die potenziellen „Schiefergas“-Vorkommen, insbesondere im Schwarzen oder Unteren Jura, Lias epsilon, Posidonienschiefer, in den Bereich Schwäbische Alb, deren Vorland, Oberschwaben (Molassebecken) und Oberrheingraben höher als in 3000 m Tiefe liegen.
Da das Verbot auf „Schiefergestein und Kohleflözgestein“ beschränkt ist, muss angemerkt werden, dass die Begriffe Schiefergestein und Schiefergas zwar allgemein sprachlich eingeführt sind (s. auch vorgenannte historische Namensgebung Posidonienschiefer), dass es sich fachterminologisch jedoch nicht um „Schiefer“, einem metamorphen Gestein, handelt. Weil mit dieser nicht eindeutigen Bezeichnung weitere potenziell Erdgas führende Gesteine (z. B. Tonsteine, mit identischer Grundwasser-, Umwelt- und Naturschutzproblematik) nicht mit in das Verbot eingeschlossen werden, soll diese Einschränkung wie folgt beseitigt werden: … wenn 1. in Gesteinen oberhalb 3000 m ….. Erst damit wären potenziell Erdgasführende Ton- und Mergelsteine eindeutig im Gesetzes-Text mit erfasst, was als unerlässlich angesehen wird.
2. Auch aus der Gesetzes-Begründung ergibt sich, dass das vorgenannte Verbot nur als „vorläufig“ anzusehen ist. In diesem Zusammenhang ist kritisch, dass die § 13a (2) vorgesehenen Ausnahmen für Forschungs- und Erprobungsmaßnahmen bezüglich Umwelt-Auswirkungen eo ipso auch für die vorbereitende Erkundung des Lagerstättenpotenzials an Erdgas genutzt werden kann (und durchaus auch soll). Es ist deshalb aber klar zu stellen, dass entsprechende Ausnahmen vom Verbot auf den im Gesetz genannten Zweck begrenzt werden. Dafür reichen je nach regionaler geologischer Einheit 1 bis 2 Projekte aus. Wegen der erheblichen Eingriffe und wegen des enormen Flächenverbrauchs sind diese Ausnahme-Projekte bezüglich des Umfangs und der Anzahl an Bohrungen auf die Erfordernisse für die im Gesetz genannten wissenschaftlichen Ziele zu beschränken. Angemerkt wird, dass ein echtes Monitoring von Maßnahmen z. B. in 1000 m Tiefe oder tiefer, d. h. in tiefen Grundwasserleitern und Grundwässern, außerordentlich aufwändig und schwierig ist.
3. Das Verbot von Fracking-Maßnahmen zur unkonventionellen Gasförderung in und unter Wasser- und Heilquellenschutzgebieten und – nun ergänzt – im Einzugsgebiet von Seen oder Talsperren, die der Trinkwassergewinnung dienen, ist quasi selbstverständlich und richtig (mit letzterer Regelung ist ein grundlegend bedeutsames Problem-Szenarium für Baden-Württemberg, nämlich die Aufsuchung und mögliche Gewinnung von unkonventionellem Erdgas im Einzugsbereich des Bodensees und damit der daraus erfolgenden umfangreichen Trinkwassergewinnung, sachgerecht geregelt).
Zum Ausschluss von Fracking-Maßnahmen in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass trotz der entsprechenden Richtlinien (DVGW W 101 und LAWA) Wasserschutzgebiete und Heilquellenschutzgebiete nicht bundesweit einheitlich und nicht grundsätzlich für jede derartige Nutzung ausgewiesen sind. Insbesondere für zahlreiche staatlich anerkannte Heilquellen, die aus tieferen Grundwasservorkommen stammen (über 100 m und bis zu etwa 1000 m Tiefe) wurden keine Heilquellenschutzgebiete festgesetzt, da bisher die Mächtigkeit und die Beschaffenheit der geologischen Überdeckung des genutzten Grundwasserleiters als hinreichender Schutz gegen oberflächennahe Einwirkungen angesehen wurde. In Baden-Württemberg betrifft dies über 50 % der staatlich anerkannten Heilquellen. Diese tiefliegenden Nutzungen sind jedoch durch Fracking ebenfalls und verstärkt gefährdet. Außerdem sind für therapeutische Nutzungen von Solen sowie für Wellness- und Badezwecke, balneologisch genutzte Thermalwässer keine Schutzgebiete ausgewiesen (vgl. hierzu 4.).
4. Insgesamt ist es erforderlich, das Verbot von Fracking-Maßnahmen zur unkonventionellen Erdgasgewinnung – für Forschungszwecke oberhalb 3000 m und für diese und weitere Zwecke unterhalb 3000 m – zu erweitern und
• auf die Grundwasser-Einzugsgebiete von „Stellen zur Entnahme von Wasser für die öffentliche Wasserversorgung oder zur unmittelbaren Verwendung in Lebensmitteln“ (Zitat aus § 13a (4) 2.); laut Begründung gehören hierzu auch Mineralwasser-Gewinnungen, zur Abfüllung als Tafelwasser, natürliches Mineralwasser und Heilwasser) sowie
• auf die unterirdischen Einzugsgebiete therapeutisch und balneologisch genutzter Solen, Thermalwässer, Heilwässer und staatlich anerkannter Heilquellen, für die keine Heilquellenschutzgebiet ausgewiesen ist,
auszudehnen.
5. Mit einem derartig erweiterten Ausschluss von Fracking-Maßnahmen würde § 13a (3) und (4) 2. ersetzt und wirkungsvoll verstärkt und ergänzt um gesellschaftlich, wirtschaftlich und therapeutisch-balneologisch wertvolle, schützenswerte Vorkommen tiefer Grundwasser.
Zugleich würde die „Besorgnis einer Veränderung der Wasserbeschaffenheit“ durch den „Schutz der Einzugsgebiete“ dieser Wässer konkretisiert. Sowohl die Abgrenzung der Einzugs- bzw. Zustromgebiet tiefer Grundwasser und darin bestehender Nutzungen als auch die „Abgrenzung“ einer Besorgnis der Veränderung durch entsprechende Eingriffe sind fachlich äußerst komplexe und deshalb möglicherweise auch strittige Themen.
6. Wie im Wasserbereich muss auch für Naturschutzgebiete, Nationalparke und Natura 2000-Gebiete nicht nur die Errichtung von Anlagen zur unkonventionellen Gewinnung von Erdgas und zugehöriger Maßnahmen „in“ sondern auch „unter“ diesen Gebieten ausgeschlossen werden (Artikel 2, Bundesnaturschutzgesetzt, § 23, 24 und 33).
7. Die Einberufung der Expertenkommission (§ 13a (6)), deren Zusammensetzung und deren Zuständigkeit, stellt eine Verlagerung der politischen Verantwortung für die Abwägung wirtschaftlicher Interesse gegen Anforderungen des Klima-, Umwelt- Grundwasser- und Naturschutzes dar, auch wenn es sich dabei ausschließlich um die Vertretung geo- und umweltwissenschaftlicher Institutionen und Fachbehörden handelt. Mit Ausnahme der Vertretungsposition von 6. (ein Vertreter einer universitären Forschungseinrichtung, die/der vom Bundesrat benannt wird), sind die Berufung oder Ernennung der Vertretungen, die Kostentragung für die Kommission und weitere Arbeitsbedingungen und Zuständigkeiten der Kommission nicht hinreichend geregelt. Wenn tatsächlich der erste Erfahrungsbericht dieser Kommission zum 30.06.2018 erstellt werden soll (§ 13a (6)), muss gewährleistet sein, dass die Berichte zu einzelnen „Begleitungen und Auswertungen“ für die bis dahin durchgeführten Maßnahmen (d. h. Ausnahmen bis 3000 m Tiefe, Maßnahmen tiefer als 3000 m Tiefe) laufend veröffentlicht werden. Konsequenter Weise ist innerhalb einer regionalen geologischen Einheit ein 2. Ausnahmeverfahren für Zwecke der Erforschung erst dann zulässig, wenn der Auswertungsbericht für das vorangegangenen Forschungsvorhaben vorliegt.
8. Grundsätzlich erscheint die Nachsorge und langfristige Überwachung von Fracking-Maßnahmen einschließlich der untertägigen Ablagerung flüssiger Stoffe, die bei diesen Maßnahmen anfallen, in den Entwürfen „zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie“, einschließlich der Erforschungs-Projekte, unzureichend geregelt.
Die vollständige LNV-Stellungnahme finden Sie hier: