LNV-Zukunftsforum zum Gewässerschutz

Hochrangige Expertinnen und Experten diskutierten beim LNV-Zukunftsforum am 26.11.2016 in Stuttgart

Gewässerqualität in Baden-Württemberg im Bundesvergleich gut, Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie dennoch verfehlt
Besonders problematisch sind Spurenstoffe

Im 17. Zukunftsforum Naturschutz „Alles fließt. Doch was fließt mit? Vom Zustand der Gewässer in Baden-Württemberg“ des Landesnaturschutzverbandes (LNV) stellten Expertinnen und Experten die Situation der Gewässer im Ländle dar und zeigten weiteren Handlungsbedarf auf. Problematisch ist die Verunreinigung mit Spurenstoffen. Eine Nachrüstung aller Kläranlagen mit der 4. Reinigungsstufe könnte einen Großteil von Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser entfernen – oberstes Gebot muss aber die Vermeidung von Schadstoffeinträgen sein. Bei der ökologischen Gewässerumgestaltung und der Eliminierung von Spurenstoffen muss nach Ansicht der Referentinnen und Referenten und des LNV noch deutlich mehr geschehen, um den von der EU geforderten „guten Zustand“ der Gewässer zu erreichen.

Wasser als Quell des Lebens
Pfarrerin Monika Renninger als Gastgeberin im Hospitalhof stimmte die Teilnehmenden im voll besetzten Saal mit Zitaten aus der Bibel zur Bedeutung des Wassers für den Menschen und für allen Lebens auf das Thema ein.
Prominenteste Rednerin war Frau Dr. Uschi Eid, langjährige Beraterin der UNO in Sachen Wasser und frühere Staatssekretärin im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Sie schilderte die in vielen Ländern schwierige Situation der Wasserversorgung, die durch die wachsende Bevölkerung und Export landwirtschaftlicher Produkte für z. B. den Konsum in Europa noch verschärft werde. Wasser gilt als lokale Ressource, weshalb sich die Aufmerksamkeit meist auf Bewirtschaftungs- und Problemlösungsansätze vor Ort richtet. Dies ist angesichts globaler Wirkmechanismen jedoch zu kurz gedacht: So konsumieren die Bundesbürgerinnen und Bürger täglich rund 5.300 Liter „virtuelles Wasser“, das für die Produktion von Gütern und Lebensmitteln aufgewendet werden muss, über die Hälfte hiervon stammt jedoch nicht aus Deutschland.

Gefahr durch Spurenstoffe
Dr. Frank Sacher vom Technologiezentrum Wasser (TZW) in Karlsruhe legte den Fokus auf die allgegenwärtigen Spurenstoffe in Gewässern, also in extrem niedrigen Konzentrationen vorhandene Arzneimittelrückstände, Biozide, synthetische Süßstoffe etc., erläuterte die Entwicklung der technischen Nachweisverfahren und die Bedeutung von Spurenstoffen für die Trinkwasserversorgung. Dass bestimmte Schmerzmittel, Pflanzenschutzmittel oder hormonell wirksame Stoffe selbst in extremen Verdünnungen schädliche Wirkungen auf Wasserlebewesen haben, erklärte Frau Prof. Rita Triebskorn von der Universität Tübingen. Am Beispiel der Schussen zeigte sie die positiven Auswirkungen einer 4. Reinigungsstufe in Kläranlagen. Es konnte nachgewiesen werden, dass diese Reinigungsstufe auf Basis von Pulveraktivkohle nicht nur Mikroschadstoffe effektiv und weitgehend eliminiert, sondern auch zu einer deutlichen Verbesserung der ökologischen Verhältnisse flussabwärts des Kläranlageneinleiters führte: Seit Inbetriebnahme der Aktivkohlebehandlung hat sich die Lebensgemeinschaft in der Schussen deutlich verbessert, verschwundene Organismen sind wieder zurückgekehrt, die Fischgesundheit hat sich verbessert.

EU-Wasserrahmenrichtlinie und Gewässerschutz
Johannes Reiss vom Wendlinger „Büro am Fluss“ stellte den Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) den erreichten Zustand in Baden-Württemberg gegenüber. Die WRRL trat am 22. Dezember 2000 in Kraft und sah unter anderem einen guten chemischen und ökologischen Zustand für alle Oberflächengewässer bis zum 22.12.2015 vor. Auch wenn das Land in seinen Regelungen zu Gewässerrandstreifen vorbildlich sei und in der Maßnahmenumsetzung aktiver als andere, sei man noch weit von einer Erreichung der Ziele entfernt. Ob es gelinge, sie bis zur maximal möglichen Fristverlängerung im Jahr 2027 zu erreichen, sei äußerst fraglich. Staatssekretär Andre Baumann verwies auf die zeitlich und inhaltlich sehr ambitionierten Ziele der WRRL und die begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen. Die Umweltverwaltung habe unter den Stellenreduktionen des letzten Jahrzehnts besonders gelitten und stehe im Ländervergleich schlecht da, sei aber gleichwohl hochmotiviert. Viele positive Entwicklungen im Gewässerschutz konnten in den letzten Jahrzehnten bereits beobachtet werden. Das Umweltministerium könne aber die Wasserrahmenrichtlinie nicht allein umsetzen, auch die Kommunen müssten mitziehen.
LNV-Vorsitzender Dr. Gerhard Bronner begrüßte, dass durch die EU-Klage gegen Deutschland wegen zu hoher Nitratbelastung des Grundwassers nun Bewegung in die Diskussion gekommen sei. Hauptverursacher ist die intensive Landwirtschaft. Zu viel Gülle auf zu kleinen Flächen zu „entsorgen“ führe zu einer Überdüngung der Böden, was ein klarer Verstoß gegen die seit 1991 geltende EU-Nitratrichtlinie ist. „Wir hoffen endlich auf eine sachgerechte Düngeverordnung auf dem Stand der wissenschaftlichen Kenntnis!“, so Bronner.
Dass man noch weit vom Leitbild des „natürlichen Zustands“ eines Gewässers entfernt sei und man vielerorts eher von einem „Leidbild“ sprechen müsse, beklagte Reinhart Sosat als Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes. Neben einer natürlichen Dynamik mit Überschwemmungsbereichen, Geschiebetransport und einer strukturreichen Gewässersohle vermisse er vor allem eine Durchgängigkeit der Gewässer: Noch weit über tausend undurchlässiger Querbauwerke verhinderten Wanderungen von Fischen und anderer Wasserorganismen. Zumindest bei der Jagst soll sich das bald ändern: Klaus Hofmann vom Regierungspräsidium Stuttgart berichtete, dass als Folge des Brandunfalls mit Mineraldüngereintrag in die Jagst, was im August letzten Jahres zu einem Fischsterben führte, ein umfangreicher Maßnahmenplan erstellt wurde. Darin ist neben schärferen Vorschriften für Chemikalienlager auch vorgesehen, die Jagst in den nächsten Jahren vollständig durchlässig zu machen und Wehre zu beseitigen.

Die Veranstaltung wurde gekonnt und unterhaltsam von Karl Giebeler moderiert. Das interessierte Publikum suchte in angenehmer Atmosphäre das Gespräch mit dem Vorsitzenden des LNV, Herrn Dr. Bronner, mit Staatssekretär Dr. Baumann sowie den Referentinnen und Referenten, die gerne auch auf kritische Nachfragen antworteten.

Tagungsbeiträge

Resolution verabschiedet
Die rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Zukunftsforums verabschiedeten einstimmig eine Resolution an den Bundestag und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, in der sie einen deutlich höheren Stellenwert von Wasserthemen in der Entwicklungshilfe einfordern.
Download: LNV-Resolution

Download: LNV-Pressemitteilung zum Zukunftsforum