LNV-Stellungnahme zum Wasserhaushaltsgesetz
an das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz
Es wird als sehr ungewöhnlich angesehen, dass eine Maßnahme im Grundwasserbereich – wenn auch nur außerhalb von Schutzgebieten – gesetzlich im Rahmen des WHG generell zugelassen werden soll, für die die Industrie laut Presse-Aussage von Bundeswirtschaftsminister Rösler „die Entwicklung umweltverträgliche Methoden“ (bisher nur) „angekündigt hat.“ Eine nachhaltige Rohstoffgewinnung setzt voraus, dass eine bestmöglich umweltverträgliche Gewinnungsmethode bekannt ist und eingesetzt wird.
Unabhängig davon wird der Zielsetzung von § 19 Abs. 3a WHG (erlaubnispflichtige Gewässerbenutzung) zugestimmt. Für die untertägige Ablagerung flüssiger Abfälle fehlen derzeit aber hinreichend gesicherte Kenntnisse und Kriterien.
Das Verbot von Tiefbohrungen zur Anwendung der hydraulischen Fracking-Technik in Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten in § 52 wird begrüßt, ist jedoch für den Schutz des Grundwassers insgesamt unzureichend und wird auch durch die Einfügung
„… können Tiefbohrungen nach Absatz 1 auch außerhalb eines Wasserschutzgebietes beschränkt werden“ nicht hinreichend gesichert.
Die Übergangsbestimmung § 106a wird in dieser Form abgelehnt (s. hierzu Begründung 3).
Die Stellungnahme wird wie folgt begründet:
Allgemeine Hinweise
Tiefbohrungen zum Einsatz der Fracking-Technik und diese Technik selbst umfassen bekanntlich mehrere, unterschiedliche Teilmaßnahmen: Die allgemeine Bohrtechnik (A), Maßnahmen zur Verhinderung von Vertikalströmungen in Folge bzw. im Bereich der Bohrungen (B), die bei ausgeprägter Stockwerksgliederung schwerwiegende Folgen haben können, den Aufpressvorgang im Gestein (C) und dessen Steuerung (insbesondere die Reichweite und Konfiguration des Aufbrechens, die Veränderung von Fließ- und Stausystemen sowie die Dokumentation der eingetretenen Veränderungen im Untergrund) sowie der Einsatz von Chemikalien (D).
Zu A und B muss grundsätzlich gewährleistet sein, dass Anforderungen nach dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der hydrogeologischen Verhältnisse nicht zur Kostensenkung umgangen werden. Auswirkungen des „hydraulic fracturing“ selbst, C der Aufzählung, sind in hohem Maße abhängig vom örtlichen geologischen Bau, der Anwendungstiefe und den angewandten hydraulischen Drücken. Letztere Kriterien sind bei der unkonventionellen Erdgasgewinnung und der Tiefen Geothermie meist deutlich verschieden. Der Chemikalieneinsatz (D) ist bei der Erdgasgewinnung bisher erheblich, in der Tiefen Geothermie mit sehr tiefem Fracking-Einsatz dagegen verzichtbar. Die Gleichstellung beider Anwendungen in der geplanten WHGÄnderung wird diesen Unterschieden nicht gerecht. Eine Differenzierung ist auch bezüglich des Klimaschutzes sinnvoll, die Erdgasförderung ist mit Methan-Emissionen und mit CO2-Entstehung bei der Verbrennung, die Tiefe Geothermie dagegen mit weitgehend CO2-armer Energiegewinnung verbunden.
Begründung 1
Die untertägige Ablagerung flüssiger Abfälle, die bei den Tiefbohrungen zum Einsatz der Fracking-Technik anfallen, beinhaltet ein mehrfaches Problem: Eine Rückführung von Erdgas- bzw. Methan-führender Abwässer in den Herkunftshorizont des Gases dürfte in den allermeisten Fällen wegen der geringen Durchlässigkeit dieser Gesteine nicht möglich sein und muss folglich in höherliegende Grundwasserleiter erfolgen. Dabei kann es auch zur Verlagerung z.B. erhöht salzhaltiger oder geogen belasteter Grundwässer in Grundwasserstockwerke mit „unbelasteter“ (z.B. für die Trinkwassergewinnung geeigneter) Grundwasserbeschaffenheit kommen. Insbesondere problematisch ist jedoch der Einsatz „unbekannter“ Chemikalien, die damit in das Grundwasser entsorgt werden und dort „unbekannte“ Schäden verursachen. Eine solche Verursachung neuer Altlasten muss verhindert werden.
Begründung 2
Die Verbotsregelung für Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebiete erweckt den Eindruck, dass der Gesetzgeber (entgegen § 1 WHG) nur diese Grundwassernutzungen als besonders schützendwert beurteilt. Daneben bestehen jedoch zahlreich Nutzungen oder hydrologisch und ökologisch bedeutsame Zusammenhänge, die den allgemeinen Grundwasserschutz begründen und rechtfertigen (z.B. private Trinkwassergewinnungen, Gewinnungen von Mineralwasser, von einwandfreiem Brauchwasser für Lebensmittelbetriebe und zur Lebensmittelproduktion, von Bade- und Thermalwässern, die nicht als Heilquellen staatlich anerkannt sind und folglich keine Heilquellenschutzgebiet erhalten aber zum menschlichen Wohlbefinden genutzt werden, sowie große, bisher ungenutzte Grundwasservorkommen mit Trinkwasserbeschaffenheit, die als zukünftige Reserven für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung vorsorglich vor nachteiligen Veränderungen geschützt werden sollten; letztlich gelangen zumindest alle oberflächennahen, nicht genutzten Grundwässer in die Vorfluter und beeinflussen oder bestimmen damit auch die Beschaffenheit der Oberflächengewässer).
Zusammenfassend wird die formulierte Option, dass Grundwasser auch außerhalb von Wasser- und Heilquellenschutzgebieten im Rahmen der wasserrechtlichen Erlaubnispflicht vor den aktuell bekannten Risiken und Gefährdungen durch Fracking zu schützen, als nicht ausreichend angesehen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Wortwahl „beschränkt werden“ (in § 52, Einfügung bb) oder „im Einzelfall“ (in I. und VII, 3. der Begründung zum Entwurf des Gesetzes).
Begründung 3
Nachdem die geplante Änderung des WHG grundsätzlich von der Erkenntnis ausgeht, dass Tiefbohrungen, „bei den zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, Erdöl oder Erdwärme Gesteine unter hydraulischem Druck aufgebrochen werden“ in Wasserschutzgebieten zu verbieten sind, d.h. Gefahren oder zumindest Risiken für die Gewinnung von Trinkwasser und die Nutzung von Heilquellen darstellen, kann diese Gefährdung für das Trinkwasser (als Lebensmittel Nr. 1) sowie für Heilwasser nicht mehr aus rein formalrechtlichen Gründen hingenommen werden. Vielmehr muss der Sicherheit der Trinkwasserversorgung und der Gewinnung von Heilwasser Vorrang eingeräumt werden und müssen diese bereits erteilten Zulassungen rückwirkend zumindest als „erlaubnisbedürftige Gewässerbenutzungen“ überprüft und neu entschieden werden. Für den Fall eines Widerrufs der Zulassung kann eine Entschädigungsregelung vorgesehen werden.
Die LNV-Stellungnahme zum Herunterladen: