Lichtverschmutzung – ein unterschätztes Umweltproblem

LNV-Info 8/2021 zum Schutz der Nacht

Inhalt
Einleitung
Problemstellung
Wie entsteht Lichtverschmutzung?
Auswirkungen von Lichtimmissionen
Maßnahmen
Sensibilisierung
Licht und Sicherheitsempfinden
Kaum Beleuchtungspflichten
Handlungsmöglichkeiten
Anforderungen an rücksichtsvolle Außenbeleuchtung
Hinweise für Stellungnahmen und Festsetzungen in Bebauungsplänen
Hinweise für Stellungnahmen zur Beleuchtung von Straßen, Wegen, Parkplätzen
Optimierung von Bestandsbeleuchtung
Sanierung von Flutlichtanlagen
Maßnahmen in Kürze
Glossar
Best practice – Beispiele
Weiterführende Literatur

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Einleitung

Für alle Lebewesen auf der Erde ist der durch die Rotation des Planeten bedingte natürliche Wechsel zwischen hellem Tag mit einer maximalen Beleuchtungsstärke von 128 000 Lux und dunkler Nacht mit 0,0007 Lux bis max. 0,3 Lux bei Vollmond der grundlegendste Rhythmus.
Dieser natürliche Taktgeber verliert jedoch durch den ansteigenden Einsatz von Kunstlicht seine lebenswichtigen Ausprägungen. Kunstlicht ist für unsere Arbeits- und Lebensweisen zwar nicht mehr wegzudenken, hat die Wirtschaftskraft durch Ausdehnung menschlicher Aktivitäten in die Nacht hinein ausgeweitet und ist oft mit sicherheitstechnischen und dekorativen Ansprüchen verknüpft.
In vielen Gebieten können sich wildlebende Tiere künstlicher Beleuchtung nicht mehr entziehen, da die benötigten Dunkelräume ebenso verschwinden wie der Sternenhimmel verblasst. Forschungsergebnisse der letzten Jahre weisen darauf hin, dass der zunehmende Verlust der Nacht mit immensen Auswirkungen auf Naturflächen – und damit erheblichen Lebensraumverlusten und veränderten Lebensweisen für die Arten einhergeht. Und auch der Mensch wird von zu viel und falsch eingesetztem Kunstlicht beeinträchtigt. Für die Erkenntnisse zum Funktionieren der circadianen Uhr im Zellkern der Menschen wurde 2017 gar der Medizin-Nobelpreis verliehen.
Erkenntnisse der letzten Jahre zeigen, dass Kunstlicht zunehmend über die notwendige Anforderung und Funktion hinaus eingesetzt wird. Dieser Trend setzt sich mit großer Geschwindigkeit durch die Massentauglichkeit der LED mit unzähligen Anwendungsmöglichkeiten fort und hat das Benutzerverhalten im öffentlichen, gewerblichen und mittlerweile auch privaten Bereich drastisch verändert.
Auf Grundlage von Satellitendaten lässt sich eine weltweite Zunahme der nächtlich beleuchteten Fläche und der Beleuchtungsintensität um jeweils etwa 2 % pro Jahr feststellen. In vielen sich schnell entwickelnden Ländern Afrikas, Südamerikas und Asiens ist der Anstieg überdurchschnittlich.

Kunstlicht ist im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) je nach Art, Ausmaß und Dauer als schädliche Umwelteinwirkung erfasst . Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz hat deshalb bereits 2012 Hinweise zur Minderung von Lichtimmissionen herausgegeben, auch wegen deren Schädliche Wirkung auf Tiere (LAI ). Das BNatSchG verbietet die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und die Störung wild lebender Tierarten. Die Landesnaturschutzgesetze in Baden-Württemberg und in Bayern verpflichten explizit zur Beleuchtungsvermeidung.

Mit diesem LNV-Info will sich der LNV diesem Umweltproblem eingehender widmen. Es werden die problematischen Aspekte des nächtlichen Einsatzes von Licht umrissen und Handlungsempfehlungen insbesondere für Kommunen zur Abhilfe gegeben. Ebenso werden technische Anforderungen an benötigtes Kunstlicht festgelegt und wie diese mit derzeitiger Rechtslage wirksam in Stellungnahmen und der Genehmigungspraxis berücksichtigt und damit umgesetzt werden können. Tipps für die Verbesserung bestehender Beleuchtung und Best Practice Beispiele finden sich am Ende dieser Arbeitshilfe, die sich an Naturschutzgruppen, Kommunen und Behörden richtet.


Problemstellung
Merke: Licht für Nichts und schlecht installierte Lichtquellen sorgen für Blendung, Aufhellung und nachbarschaftliche Störung.


Wie entsteht Lichtverschmutzung?
Durch die energiesparenden LED-Leuchtmittel wurde der Lichteinsatz kostengünstiger. Das führt aber dazu, dass auch immer mehr Licht und nicht benötigtes Licht eingesetzt wird (Reboundeffekt, s.u.). Zahlreiche Lichtquellen werden nicht zielgerichtet eingesetzt und beleuchten mehr Fläche als notwendig mit oftmals viel zu hohem Lichtstrom und schädlichem Farbspektrum. Hierzu trägt auch die Industrienorm DIN EN 13201 bei, die u.a. durch Wahl von Beleuchtungsklassen mit zu hohen Lichtmengen in der kommunalen Straßenbeleuchtung vielerorts zu einer Anhebung des Beleuchtungsniveaus und zu Überbelichtung geführt hat. Moderne, leistungsfähige und oft falsch ausgerichtete Strahler blenden – hierzu zählen auch die modernen Scheinwerfer von Fahrzeugen -, zerschneiden Lebensräume und sind kilometerweit sichtbar – fernab der Lichtquelle und der eigentlichen Nutzfläche. Mittlerweile tragen selbst kleine Gewerbegebiete und Beleuchtungsanlagen an Einzelbauten zur Blendung und Aufhellung der direkten Umgebung bei. Über Streuung des Lichts an Aerosolen, also Staub- und Wasserteilchen in der Atmosphäre, und Reflektion an Wolken entstehen die diffusen Lichtglocken. Das Licht wird weit in die Umgebung transportiert und verursacht dort Aufhellung.

Folgende Phänomene können unter dem Begriff Lichtverschmutzung zusammengefasst werden:

• direkte Blendung durch starke Lichtquellen
• künstliche Aufhellung der direkten Umgebung und des Nachthimmels
• nachbarschaftliche Störung im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG), in dem Kunstlicht je nach Art, Dauer und Ausmaß als schädliche Umwelteinwirkung erfasst ist.

Abb. 1: Lichtverschmutzung im Panorama – Blick vom Kreuzberg (Rhön) Richtung Süden. Die Wol-kenschichten tragen Kunstlicht weit ins Umland – fernab der Lichtquellen, im Englischen als Skyglow bezeichnet.
Foto: Dr. Andreas Hänel

Rebound-Effekt

Ein Anstieg der Lichtverschmutzung ist auch deshalb vielerorts zu beobachten, weil moderne Leuchtmittel bei gleicher Anschlussleistung einen wesentlich höheren Lichtstrom erzielen. Diese Effizienzsteigerungen und gesunkene Anschaffungskosten senken die Kosten für den Einsatz von Kunstlicht, was dazu führen kann, dass sich das Verhalten der Nutzer*innen ändert. Schlicht formuliert: Es wird einfach öfter, mehr und länger als nötig beleuchtet. Dadurch werden Potenziale zur Energie- und Ressourceneinsparung geschmälert oder wieder aufgehoben. Dieses Phänomen wird unter dem Begriff „Rebound-(Bumerang-)Effekt“ zusammengefasst.

==> Info-Beispiel:
Effizienzsteigerung Glühbirne versus LED:
Eine konventionelle 75Watt-Glühlampe erzeugte ca. 1000 Lumen Lichtstrom. Die gleiche Lichtstrommenge wird heute mit einem 10-Watt-LED-Lampe erzeugt. Eine 75-Watt-Lampe hat – privat bezahlt – niemand länger als nötig strahlen lassen – bei 10 Watt ist man wesentlich hemmungsloser.


Auswirkungen von Lichtimmissionen
Die Folgen für Umwelt und Arten sind vielfältig, denn der regelmäßige Rhythmus der natürlichen Lichtverhältnisse von Tag und Nacht ist evolutionsbiologisch auf Zellebene in so gut wie allen Organismen und Ökosystemen eingraviert. So werden durch die fortschreitende Aufhellung der nächtlichen Umgebung und der Zerschneidung oder dem Verlust von Dunkelräumen alle heimischen Arten unmittelbar beeinflusst:

• Mehr als die Hälfte der Arten ist nachtaktiv, durch künstliches Licht werden ihre nächtlichen Lebensräume verkleinert, zerstört oder anderweitig beeinträchtigt. Hiervon sind auch die tagaktiven Arten betroffen.

• Dämmerungs- und nachtaktive Insekten (z.B. Nachtfalter) werden insbesondere von Lichtquellen mit hohen Blauanteilen angezogen. Häufig verenden sie an den Lichtquellen durch Erhitzung oder indem sie nicht mehr entweichen können (s. Abb. 2, Staubsaugereffekt). Noch gravierender ist, dass durch das Licht ihr artspezifisches Verhalten und ihre Fortpflanzungsaktivität gestört werden und keine Vermehrung mehr stattfindet. Auch ihre Funktion etwa als Bestäuber stellen sie ein.

Abb. 2 Insektentod an Leuchtkörpern: Der untere Leuchtenteil ist mit Insekten gefüllt, die hier zu Tode kamen. Durch Wahl einer entsprechenden Schutzklasse (IP 65) kann dies vermieden werden. Foto: Conrad Fink
   

• Singvögel werden in hell erleuchteten Städten zur Änderung ihrer Aktivitätsphasen und ihres Brutgeschäfts gezwungen. Vögel meiden beispielsweise Bäume als Brut- oder Schlafplätze, wenn diese nachts angestrahlt werden. Zugvögel werden von ihren Flugrouten abgelenkt oder stoßen mit beleuchteten Bauwerken zusammen. Auch Himmelsstrahler tragen zum Tod von Zugvögeln bei.
• Künstliches Licht zwingt Fledermäuse zu energiezehrenden Umwegen oder vertreibt sie aus ihren Lebensräumen. So werden etwa historische Bauwerke von Fledermäusen als Lebensraum aufgegeben, wenn sie angestrahlt werden. Manche Fledermausart hindert dies am Ausfliegen.
• Bäume und andere Vegetation, welche nachts angestrahlt werden, behalten ihre Blätter im Herbst länger und erfrieren dadurch leichter.
• Die zur Beleuchtung eingesetzte Technik verbraucht Rohstoffe und vor allem Energie, trägt also vermeidbar zur Klimaerwärmung bei.
 
 
Abb. 3: Rund um die Lichtquelle kann diese Kasta-nie nicht jahreszeitlich entsprechend ablauben, was zu unerwünschten Frostschäden führen kann. Angestrahlte Bäume haben im Sommer zudem größere Blätter, was zusätzlichen Verdunstungs-stress bedeuten kann. Foto: Sabine Frank
 
 
 
 

Auch der Mensch ist betroffen von der Exposition von zu viel Kunstlicht. Zu nennen sind beispielhaft Blendung (z.B. im Straßenverkehr), Gefahr photochemischer Veränderungen der Netzhaut und die Drosselung der Produktion des Schlaf- und Regenerationshormons Melatonin. (Empfehlung der Kommission Umweltmedizin am Robert Koch-Institut zu Moderne Lichtquellen (2015), Bundesgesundheitsbl 2015, 58:1171–1174DOI)

Blaulichtanteile im weißen Licht stören abends den Tag-Nacht-Zyklus und damit die lebensnotwendigen nächtlichen Regenerationsphasen und beeinträchtigen dadurch die Gesundheit.
Die zur Beleuchtung eingesetzte Technik verbraucht zudem Rohstoffe und vor allem Energie, trägt also vermeidbar zur Klimaerwärmung bei.
Der ungesteuerte Einsatz von Kunstlicht verändert zudem ungeplant und oftmals ungewollt nächtliche Landschafts- und Ortsbilder bis hin zur Verunzierung.
Mittlerweile ist die Aufhellung des Himmels durch die Lichtverschmutzung so stark, dass weniger als die Hälfte der Europäer die Milchstraße überhaupt noch sehen kann. Über den Städten sind nur noch wenige Dutzend Sterne zu erkennen, während bei einem natürlich dunklen Himmel bis zu 4000 Sterne sichtbar wären. Damit geht nicht nur ein faszinierendes Naturerlebnis verloren, das für viele Menschen mit Lebensqualität verbunden ist, sondern auch ein kollektives Kulturgut, denn die Beobachtung der Gestirne war für die Erstellung von Kalender und Navigationssystemen unerlässlich.


Maßnahmen


Sensibilisierung
Merke: Es muss erkannt werden, dass der Verlust der Nacht ein Problem mit vielen Facetten ist.
Für viele Menschen ist Kunstlicht neben seiner funktionalen Wirkung untrennbar mit Attraktivität und Sicherheit verbunden und das Thema Lichtverschmutzung im Zusammenhang mit dem Rückgang der Artenvielfalt neu oder nicht ausreichend bekannt.
Zur Bildung eines Problembewusstseins in der Bevölkerung erscheint es daher notwendig, die Aus-

wirkungen von nächtlicher Beleuchtung bekannter zu machen und best-practice-Beispiele aufzuzeigen, damit Maßnahmen zur Minimierung auf mehr Akzeptanz stoßen: Das Erhalten von Lebensräumen insbesondere für nachtaktive Arten, Energie- und Ressourceneinsparung, bessere Sichtbarkeit der Sterne sowie ein harmonischeres Orts- und Landschaftsbild tragen zur Lebensqualität bei.


Licht und Sicherheitsempfinden
Merke: Heller ist nicht gleich sicherer. Es gibt keinen eindeutigen und belegbaren Zusammenhang zwischen Kunstlicht und Sicherheit.
Grundsätzlich haben sich alle Verkehrsteilnehmer eigenverantwortlich und auf geeignete Weise an die gegebenen Verhältnisse wie Glätte und Dunkelheit anzupassen und sich anderen gegenüber rücksichtsvoll zu verhalten.
Schnell und oftmals vorschnell werden Sicherheitsgründe für den Einsatz von mehr Licht angegeben, denn die Angst vor Überfällen auf dunklen Straßen ist weit verbreitet. Doch es gibt keine belastbaren Studien, die einen objektiven Zusammenhang zwischen mehr Licht und mehr Sicherheit herstellen – weder im öffentlichen Raum noch rund um Haus . Zwar weisen Befragungsergebnisse auf eine wichtige Rolle von Beleuchtung für den psychologischen Effekt des subjektiven Sicherheitsgefühls hin, allerdings können sich diese Wahrnehmungen nicht eindeutig auf Daten zur Kriminalität- oder Unfallstatistik stützen. Erfasst wird zudem nicht, welche Delikte wegen fehlender Beleuchtung unterbleiben. (siehe Langzeitstudie der angesehenen London School of Hygiene & Tropical Medicine und Untersuchung der Forschungs- und Planungsgruppe Stadt und Verkehr, Berlin 2011)

Hingegen ist erwiesen, dass Maßnahmen zur Reduktion der Lichtverschmutzung wie beispielsweise die Verwendung blendfreier, abgeschirmter und mit niedrigem Beleuchtungsniveau versehene Leuchten für weniger starke Kontraste sorgen und damit grundsätzlich die eigene Sehfähigkeit unterstützen und Sicherheitsbedürfnissen gerecht werden.

Im Sternenpark UNESCO Biosphärenreservat Rhön werden seit einigen Jahren in mehreren Gemeinden – auch aus Kostengründen – die öffentliche Beleuchtung teils komplett abgeschaltet und seit mehr als 5 Jahren die Kriminalstatistik genau beobachtet – mit dem Ergebnis, dass sich keine Auffälligkeiten feststellen lassen.
Dennoch sollten subjektive Ängste ernst genommen werden und eine sachliche Auseinandersetzung damit den Dialog bestimmen. Dazu gehört auch die Einsicht, dass Beleuchtung gern mal sozial wirksameren, aber aufwändigeren Maßnahmen vorgeschoben wird. Licht kann also kein Allheilmittel sein, sondern lediglich ein Baustein, dessen Planung einer sorgfältigen Abwägung bedarf. Mit abzuwägen sind daher Erkenntnisse, dass
• ein Angebot von Licht u.U. dazu führen kann, dass man alleine Wege geht, die außerhalb der sozialen Kontrolle durch die Öffentlichkeit liegen (dies gilt auch für den lichten Tag),
• helle Ausleuchtung starke Kontraste erzeugt, die eine Adaption für das Auge schwierig macht, also die eigene Sehfähigkeit herabsenkt,
• die durchgängige Beleuchtung von abgelegenen Wegen einen sog. Laufstegeffekt erzeugen können, der z.B. mögliche Überfallopfer unmittelbarer erkennen lässt,
• die abendliche Nutzerfrequenz (Fußgänger, Fahrzeuge) oder konkrete Sicherheitsprobleme, die künstliches Licht zu erfordern scheinen, überhaupt nicht bekannt sind,
• sich Menschen bei Tag und bei Nacht in vertrauter Gesellschaft am sichersten fühlen und,
• schließlich auch Lichtmasten ein Hindernis darstellen können und damit eine Kollisionsgefahr sind!
• Wohnungseinbrüche in den letzten Jahren insbesondere durch moderne Sicherheitsvorrichtungen rückläufig sind und vornehmlich dann stattfinden, wenn niemand anwesend ist – im heimischen Umfeld also hauptsächlich tagsüber.
• Dauerlicht oder Bewegungsmelder, die ständig auslösen, kaum Aufmerksamkeit erregen. Einbruchexperten empfehlen daher spezielle Schlösser, Fenster- und Türen mit Pilzkopfzapfen, Tresore, Alarmanlagen und Kameras und z.B. Wachdienste für Firmen.
Vor diesem Hintergrund muss streng geprüft werden, ob eine Beleuchtung tatsächlich ein Zugewinn für den Schutz von Leib und Leben bietet und wie das Beleuchtungsbedürfnis mit einhergehendem Lebensraumverlust für nachtaktive Arten, Verlust von Nachtlandschaften und unnötigem Energie- und Ressourcenverbrauch in Einklang zu bekommen ist.


Kaum Beleuchtungspflichten
Merke: Abgesehen von der Beleuchtung an Fußgängerüberwegen und Empfehlungen für Arbeitsstätten gibt es keine allgemeine Beleuchtungspflicht. Reduzierungen und (Teil-)-Abschaltungen sparen Energie und Geld und sind ein wichtiger Beitrag zum Arten- und Klimaschutz.
Abb. 4: Eine nicht nachhaltige Anwendung der DIN-EN 13201 führt zu Energie- und Ressourcenver-schwendung: Bensheim, Fabrikstraße, 00:30 Uhr! Foto: J. Schneider

Kaum Beleuchtungspflicht im öffentlichen Bereich
Entgegen landläufiger Meinung besteht in Deutschland für öffentliche Straßen keine allgemeine Beleuchtungspflicht durch ein Bundesgesetz. Da die Dunkelheit der Nacht ein natürlicher Zustand ist, gilt auch hier, dass sich grundsätzlich alle Verkehrsteilnehmer eigenverantwortlich an die gegebenen Verhältnisse wie Glätte und Dunkelheit anzupassen und sich rücksichtsvoll gegenüber anderen zu verhalten haben. Dazu gehört auch, dass entgegenkommende Verkehrsteilnehmer nicht geblendet werden.
Lediglich für Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg , Berlin und Sachsen gibt es derzeit eine Beleuchtungsaufforderung innerhalb der Ortslage; dies aber nur im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit – und selbst hierauf begründet sich keine Pflicht zur flächendeckenden, dauerhaften Beleuchtung.
Die Kommunen haben also große Handlungsspielräume, was den grundsätzlichen Einsatz von oder den Verzicht auf Straßenbeleuchtung anbelangt. Dazwischen liegen Maßnahmen zur Energie- und Ressourceneinsparung wie Teil- oder Ganzabschaltungen (z.B. Halbnachtschaltungen in Anwohnerstraßen) oder Reduzierungen um mind. 70 %. Nächtliche Abschaltungen sind zudem in ganz Deutschland durch das Anbringen des roten Laternenrings am Mast (Verkehrszeichen 394 der StVO) legitimiert.

Fußgängerüberwege und gefährliche Fahrbahnsituationen
Eine gesetzliche Pflicht zur Beleuchtung besteht nur an Fußgängerüberwegen auf Anordnung der Straßenverkehrsbehörden (§ 26 VwV-StVO )
Gemeindliche Haftungsrisiken ergeben sich lediglich aus der Verkehrssicherungspflicht, die sich jedoch nicht auf eine Straßenbeleuchtung bezieht, sondern auf die Absicherung gefährlicher Fahrbahnsituationen wie z.B. Schlaglöcher oder Baustellen.

Verschwenderische Auslegung der Norm DIN-EN 13201
Merke: Die Normen selbst fordern weder Beleuchtung ein, noch werden Reduzierung und Abschaltung ausgeschlossen.

Für die Planung der Straßenbeleuchtung werden oft die DIN-EN 13201 Normen herangezogen, die jedoch als nicht öffentlich zugängliche Industrienorm keine gesetzliche Regelung darstellen und daher nicht bindend sind. Die Norm beschreibt unterschiedliche Beleuchtungsklassen mit unterschiedlichen Beleuchtungsstärken, abhängig von der Beurteilung der Beleuchtungssituation vor Ort wie Fahrbahngeometrie, erlaubte Geschwindigkeit und Verkehrsstärke. Diese Parameter sind im Vorfeld für den jeweiligen Anwendungsfall zu ermitteln, was in der Praxis kaum stattfindet und nur sehr selten überprüft wird. Vielmehr lässt sich seit einigen Jahren feststellen, dass die Einführung der LED bei gleichzeitiger verschwenderischer Anwendung der DIN EN 13201 meist zu einer Anhebung des Beleuchtungsniveaus führt. So werden z.B. in Wohnstraßen Werte zwischen 3 und 10 Lux und höher gemessen, obwohl die Beleuchtungsstärke ohne Anwendung der Norm, wie bis vor einigen Jahren noch flächendeckend üblich, deutlich darunter lag und sich bewährt hatte. Ein Hauptgrund sind übertriebene Ansprüche an die Gleichmäßigkeit der Beleuchtung, die u.a. zum Einsatz von vielen oder hohen Masten führt.
Zudem erfordern Zeiten hoher Verkehrsfrequenz andere Beleuchtungsstärken als spätere Abendstunden.
Wird bei Anwendung der Norm mit einer (oft übertriebenen) Gleichmäßigkeit der Ausleuchtung argumentiert, dann muss eine nachhaltige Anwendung der DIN-EN 13201 andererseits die Wahl der Beleuchtungsklasse mit der niedrigsten Lichtmenge für den jeweiligen Anwendungsfall zur Folge haben: Mit Abnahme der Verkehrsdichte muss eine Reduzierung ab 20 Uhr bis hin zur Abschaltung (Verkehrszeichen 394) erfolgen.
Bezüglich der technischen Ausstattung erfordert ein nachhaltiger Einsatz die Entscheidung für weitere wichtiger Parameter wie voll-abgeschirmte Leuchten, besser Lichtstärkeklasse G6 für Blendfreiheit, und Farbtemperaturen von 1700 bis 2200 Kelvin; max. 3000 Kelvin (z.B. nur an Hauptstraßen).

Abb. 4: Eine nicht nachhaltige Anwendung der DIN-EN 13201 führt zu Energie- und Ressourcenverschwendung: Bensheim, Fabrikstraße, 00:30 Uhr! Foto: J. Schneider

Arbeitsstätten
Bei nächtlicher Produktion kann eine Beleuchtungspflicht im Außenbereich an Arbeitsstätten bestehen. Dort gelten die Beleuchtungsstärken der Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.4. für die Beleuchtungsstärke und Farbwiedergabe. Arbeitsstätten müssen jedoch nur dann ausgeleuchtet sein, wenn sie von den dort Beschäftigten tatsächlich benutzt werden. Es ist daher zu prüfen, ob eine benutzerorientierte Beleuchtung angebracht ist bzw. werden kann. Zudem sollen die Werte der ASR A3.4 nicht überschritten werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass für den Trend zur Ausleuchtung kompletter Betriebsareale kein Erfordernis besteht.
Sicherheitsbeleuchtung (Licht trotz Stromausfall) für Fluchtwege im Außenbereich erfordert ebenfalls keinen Dauerbetrieb und soll daher auf den Bedarfsfall reduziert sein; z.B. über Türkontaktschalter oder Bewegungsmelder.
Vom warmen Licht der Natriumhochdruckdampflampe hin zum kalt-weißen LED-Licht!
Die Einführung der Natriumhochdruckdampflampe wurde seinerzeit mit der hohen Energieeffizienz (Lichtausbeute = Lumen/Watt) begründet und von den Umweltverbänden vorangetrieben. Insbesondere aber hatte sich das warme, gelb-orange Licht mit geringem Blauanteil als insektenverträglicher und dem Ortsbild zuträglicher herausgestellt. Das orange Licht ermöglicht zudem ein kontrastreicheres Sehen bei Nebel und wirkt weniger blendend, z.B. auf nassen Straßen.
Mit Einführung der LED erfolgte jedoch ein Paradigmenwechsel: Ausgerechnet das kaltweiße Licht der LED überzeugte anfangs mit höherer Lichtausbeute. Viele Kommunen entschieden sich aus Energiespargründen für dieses Licht, das durch den hohen Blauanteil jedoch stärker blendet, streut, auf Umwelt und Tierwelt einwirkt und so manche Ortschaft im oftmals viel zu hellem Licht erkalten lässt.

Doch mittlerweile gibt es ein Umdenken und modernere LED mit amber- bzw. bernsteinfarbenem Licht ersetzen die bekannten insektenfreundlichen Natriumdampfhochdrucklampen, haben jedoch diesen gegenüber eine bessere Farbwiedergabe.


Handlungsmöglichkeiten

Merke: Über das Satzungsrecht der Kommune, Festsetzungen im Bauleitverfahren, verbindliche Vorgaben in Baugenehmigungen oder Lichtgestaltungssatzungen können Gemeinden und Fachbehörden rechtssicher und wirksam die Lichtnutzung steuern und so die Entstehung von Lichtverschmutzung verhindern.

Viele Kommunen, Planer und Naturschutzverbände sind sich der rechtlichen und gestalterischen Möglichkeiten zur wirksamen Vermeidung von Lichtimmissionen nicht bewusst. Sie kennen ihre Handlungsspielräume nicht oder nutzen sie nicht. Der Preisverfall bei Licht und das damit einhergehende veränderte Nutzerverhalten führt jedoch sukzessive zu einer Zunahme an Licht (Rebound-Effekt) bis hin zur Verunzierung des Ortsbildes und Störungen der Nachbarschaft.
Da Lichtimmissionen ein Summationsproblem darstellen und nachteilige Auswirkungen erst durch das Zusammenwirken vieler einzelner Lichtanlagen entstehen, ist die Möglichkeit, Festsetzungen zu treffen, von großer Bedeutung.

Auch gemeindliche Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversitätsmaßnahmen können nicht wirkungsvoll greifen, wenn man weiterhin die zukünftige Lichtnutzung unreguliert dem Zufall überlässt.
Zwar gibt es in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern kein spezielles Gesetz, das als Ziel unmittelbar die Vermeidung, Bekämpfung oder Beschränkung der Umweltbelastungen durch Licht verfolgt. Ein solches Gesetz ist aber auch nicht unbedingt erforderlich, denn die bestehende Rechtslage bietet Kommunen und Fachbehörden mehrere Anknüpfungspunkte über das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) und das Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) (siehe Kap. 1 und Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz, LAI, Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen, Hinweise über die schädliche Einwirkung von Beleuchtungsanlagen auf Tiere – insbesondere auf Vögel und Insekten), die sich in der Umsetzung über Regelungen des Baugesetzbuchs (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) als äußerst wirksame Handlungsinstrumente erweisen. Kommunen können darüber hinaus zur Regelung der eigenen inneren Angelegenheiten von ihrem Beschluss- und Satzungsrecht Gebrauch machen.
Kommunen sollten daher aus bauplanungsrechtlicher Sicht und zum Nachbarschaftsschutz die Ortsgestaltung mit Licht nicht weiterhin dem Zufall überlassen. Sie sollten zur Erfüllung bauplanungs-, immissionsschutz- und artenschutzrechtlicher Zielvorgaben Einfluss auf die Beleuchtungsart, -dauer und -intensität nehmen nach dem Stand der Technik sorgen, z.B. durch:
• Erlass einer Lichtgestaltungssatzung
• Beschlussfassung einer Beleuchtungsrichtlinie/Lichtmasterplan in Verbindung mit
• verbindlichen Festsetzungen im Bauleitverfahren auf der Rechtsgrundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 20, 24 BauGB und
• verbindlichen Vorgaben anlassbezogen bei neuen Bauvorhaben, bei denen die Entstehung von Lichtimmissionen zu erwarten sind, zur Sicherstellung der Einhaltung oben genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften

Weitere Einwirkmöglichkeiten sind
• kommunale Grundstückkaufverträge
• Ausschreibungskriterien und Förderbedingungen
• Bauherreninformation, Beratungen
• Sensibilisierung auf allen Ebenen
• Vorbildfunktion wahrnehmen (Best practice)


Anforderungen an rücksichtsvolle Außenbeleuchtung
Merke: Die Dunkelheit der Nacht ist der natürliche Zustand. Außenbeleuchtung stellt immer einen Eingriff dar und sollte daher so wenig belastend wie möglich gestaltet sein.

„Mehr Licht“ ist „Schnee von gestern“.
Das Ziel ist „besseres Licht“ statt immer nur „mehr Licht“: Besseres Licht, das uns hilft, besser zu sehen, ohne zu blenden, ohne unnötig die Umwelt aufzuhellen, ohne unnötig die Tierwelt zu stören, ohne unnötig viel Energie zu verschwenden. Besseres Licht ist machbar und bringt allen Vorteile.“
Zitat Dr. Josef Pühringer, ehem. Landeshauptmann von Oberösterreich

Technisch stellt eine rücksichtsvolle Außenbeleuchtung kein Problem dar und sie ist auch nicht mit Mehrkosten verbunden. Inzwischen sollte daher der gut begründete, gut geplante und umweltverträgliche Einsatz innovativer technischer Lichtlösungen eine Selbstverständlichkeit sein, indem die Wechselbeziehung zwischen ökonomischer Weiterentwicklung und deren negativen Auswirkungen so gering wie möglich gehalten werden.
Bei der Planung gilt daher zunächst die Notwendigkeit künstlicher Beleuchtung gründlich und anhand objektiver Beurteilungskriterien abzuwägen. Dies können sein:
• Beleuchtungspflicht an Arbeitsstätten aufgrund nächtlicher Beschäftigung im Zeitraum der tatsächlichen der Nutzung im Außenbereich
• Messungen des nächtlichen Verkehrsaufkommens zur Beurteilung des Bedarfs
• Beurteilung Umgebungsbeleuchtung
• Ermittlung belegbarer Sicherheitserfordernisse
• Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse, wobei dringend die Aspekte Artenschutz und Nähe zu Schutzgebieten zu betrachten sind.
• Abwägung von Alternativen zum Kunstlicht wie z.B. reflektierende Markierungen
Bei allen notwendigen Beleuchtungsanlagen sind Wirkungen auf angrenzende potenzielle Lebensräume nachtaktiver oder nachts ruhebedürftiger Lebewesen (inkl. Menschen) grundsätzlich zu vermeiden. Insbesondere sind Aufhellungen der Umgebung, nachbarschaftliche Störungen und Blendungen zu vermeiden. Bestehende Dunkelräume sind zu erhalten, lichtverschmutzte zurückzugewinnen.

Abb. 5: Anforderung an eine nachhaltige Beleuchtung. Graphik: Sternenpark UNESCO Biosphärenreservat Rhön.


Hinweise für Stellungnahmen und Festsetzungen in Bebauungsplänen

Die nachfolgenden sieben Grundsätze können als Grundlage für Lichtsatzungen sowie für verbindliche Vorgaben im Bauleitplanverfahren und in Ausschreibungs- und Förderunterlagen übernommen werden. Angaben über maximale Beleuchtungsstärken und Lichtmengen erfolgen nach Erfahrungen und Messungen des Sternenparks im Biosphärenreservat Rhön.

1. Künstliches Licht darf nur eingesetzt werden, wo es begründet notwendig ist, z.B. zur Sicherung eines Arbeitsplatzes oder zur Vorbeugung vor Gefahren, etwa an Treppen.
2. Es darf nur die für den Bedarf notwendige Lichtmenge eingesetzt werden, Überbeleuchtung ist zu vermeiden.

Beleuchtungsstärken von max. 5 Lux für Wege, max. 10 Lux für Parkplätze reichen völlig aus.
Die öffentliche und private Außenbeleuchtung an Gebäuden und Freiflächen (z.B. Wege, Parkplätze) ist zudem energiesparend, blendfrei, streulichtarm sowie arten- und insektenfreundlich zu gestalten.
3. Künstliches Licht darf nur dann eingeschaltet sein, wenn es benötigt wird, etwa zur Arbeitsplatzbeleuchtung. Außerhalb der Nutzungszeit soll es abgeschaltet, zumindest aber um mindestens 70 % gedimmt werden. Die Leuchtdauer sollte durch Schalter, Zeitschaltuhren, Bewegungsmelder oder Smart Home Technologie auf die Nutzungszeit begrenzt werden (Energiesparen).
4. Künstliches Licht darf nur dorthin strahlen, wo es benötigt wird. Vegetation und Gewässer sowie Übergangsbereiche dürfen nicht beleuchtet werden. Zur Vermeidung ungerichteter Abstrahlung sind daher voll abgeschirmte Leuchten einzusetzen, die nur unterhalb der Horizontalen abstrahlen (0 % Upward Light Ratio, ULR). Auf Beleuchtungseinrichtungen, welche nach oben bzw. in den Himmel abstrahlen wie aufgeneigte Leuchten, Bodenstrahler, Skybeamer, Kugelleuchten oder nicht abgeschirmte Röhren ist grundsätzlich zur verzichten. Dadurch wird Blendung effektiv reduziert, der Grad der Beleuchtungswirkung verbessert. Flächige Anstrahlungen ohne Informations-vermittlung (wie z.B. Wand ohne Logo/Namen), Wechsel- und bewegtes Licht sind unzulässig.
5. Es sind nur Leuchtmittel mit geringem Ultraviolett (UV)- und Blauanteilen zu verwenden, daher nur bernsteinfarbenes bis warmweißes Licht mit Farbtemperaturen 1700 bis 2700 Kelvin, max. 3000 Kelvin einsetzen. Amber-LED mit bernsteinfarbenem Licht (auch als Gold oder Orange vermarktet) entsprechen annähernd den bekannten insektenverträglichen Natriumdampfhochdrucklampen, haben jedoch diesen gegenüber eine bessere Farbwiedergabe.
6. Die Lichtpunkthöhen sind möglichst niedrig zu halten, um nicht über die Nutzfläche hinaus zu beleuchten. Abschirmeinrichtungen können die Lenkung des Lichts unterstützen.
7. Werbebeleuchtung und Anstrahlungen großer Flächen sind außerhalb zusammenhängend bebauter Gebiete und unmittelbar neben Naturräumen strikt zu unterlassen. Generell müssen folgende Grenzwerte für die Leuchtdichten im innerörtlichen Bereich eingehalten werden: Für große (größer als 10 m²) strahlende Flächen darf die Leuchtdichte nicht heller als 2 cd/m² sein. Für kleine (weniger als 10 m²) strahlende Flächen darf die Leuchtdichte nicht heller als 50 cd/m² sein.

Abb. 6: Nachhaltige und blendfreie Beleuchtung Gewerbe, Graphik: Sternenpark UNESCO Biosphärenreservat Rhön.

Argumentationshilfen für Begründungen:
• Biodiversitätsstrategie/Bemühungen um mehr Artenschutz (z.B. Insekten) der Kommune/Gewährleistung der Ökofunktion vor Ort (Erhalt Dunkelräume) mit Hinblick auf die geplante Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes (Insektenschutzgesetz), das mit § 41 a explizit den von Tieren und Pflanzen vor nachteiligen Auswirkungen von Beleuchtungen zum Ziel haben soll (Erhalt Dunkelheit als natürlicher Zustand)
• Generelle Vermeidungs- und Minimierungspflicht aus der Zielbestimmung des Bundesimmissionsschutzgesetzes heraus; und speziell in Bezug auf gewerbliche Anlagen sowie zur Sicherung und Erhalt gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse durch Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen (auch gesunder Schlaf und Anblick Sternenhimmel als Beitrag Lebensqualität), zu denen Kunstlicht je nach Art, Dauer und Ausmaß zählt (Lichtimmission sind gleichwertig zu anderen schädlichen Umwelteinwirkungen abzuwägen)
• Keine Verschlechterung des nächtlichen Landschafts- und Ortsbilds für Anwohner/Nachbarn: Steuerung, Verbesserung und Erhalt einer schönen Landschafts- und Ortsbildgestaltung und zur Vermeidung von Nachbarschaftskonflikten vor dem Hintergrund zunehmender Lichtnutzung und Leistungssteigerung moderner Leuchtmittel
• Weniger Licht = Energie- und Ressourceneinsparung, auch unter Berücksichtigung der langen Standzeiten von Beleuchtungsanlagen (= Klimaschutz)
• Verantwortung gegenüber Schutzgebiete/besonderer Landschaft/Sternwarte/Erholungsgebiet in der Nähe (Fernwirkung von Lichtquellen, z.T. einzelner Lichtquellen)

Abb. 7: Rücksichtsvolle, blendfreie und ökologische Außenbeleuchtung, Graphik: Sternenpark UNESCO Biosphärenreservat Rhön.


Hinweise für Stellungnahmen zur Beleuchtung von Straßen, Wegen, Parkplätzen

Grundsätzlich ist belegbar zu begründen, welche Fläche aus welchem Grunde beleuchtet werden muss. (Die DIN-EN 13201 stellt keine rechtliche Grundlage dar.)
Erfolgt die Planung dennoch nach der DIN-EN 13201 gelten folgende Lichtmengen:
Hauptstraßen: Die erforderliche mittlere Leuchtdichte ist abhängig vom (zu messenden!) Verkehrsaufkommen, den erlaubten Höchstgeschwindigkeiten, der Anzahl der Kreuzungsbereiche, den Konfliktzonen und bewegt sich in den meisten Fällen zwischen 7,5 lx mittlerer Beleuchtungsstärke (Beleuchtungsklasse C5) und maximal 15 lx mittlerer Beleuchtungsstärke (Beleuchtungsklasse C3).
Anwohnerstraßen: Die mittlere Beleuchtungsstärke soll 3 lx (Beleuchtungsklasse P5) nicht übersteigen.
Parkplätze sollten nur mit mittleren Beleuchtungsstärken bis max. 10 lx beleuchtet werden, wenn sie überhaupt beleuchtet werden.
• Zur Vermeidung ungerichteter Abstrahlung sind nur voll-abgeschirmte Leuchten einzusetzen. Das bedeutet, dass der Beleuchtungskörper so abschirmt und montiert sein muss, dass kein Licht in oder oberhalb der Horizontale abgestrahlt wird (Upward Light Ratio ULR = 0%). Eine bessere Blendungsbegrenzung wird mit Leuchten der Lichtstärkeklasse G6 (nach DIN/EN 13201) erreicht.
• Die Beleuchtung wird im Laufe der Nachtstunden (etwa ab 20 Uhr, spätestens ab 23 Uhr) bedarfsorientiert entsprechend der Abnahme der Verkehrsdichte reduziert. Eine Abschaltung oder Reduzierung um mindestens 70 % ist anzustreben.
• Es darf nur bernsteinfarbenes bis warmweißes Licht mit geringem Ultraviolett (UV)- und Blauanteil eingesetzt werden. Die Blauanteile im weißen Licht sind für Wellenlängen unter 500 nm auf 10 % der gesamten sichtbaren Strahlung (entsprechend einer äquivalenten Farbtemperatur von 2400 K, vorzugsweise bernsteinfarben) in Außen- und naturnahen Bereichen, ansonsten auf 15 % (entsprechend einer Farbtemperatur von 2700 K bis 3000 K) zu begrenzen.

Radwege:
Zur Radwegbeleuchtung außerorts verweisen wir auf das LNV-Info 3/2021


Optimierung von Bestandsbeleuchtung
Es empfiehlt sich eine nächtliche Begehung und Bestandsaufnahme der Beleuchtungssituation vor Ort. Bestehende Beleuchtung, die nicht den oben genannten Anforderungen entspricht, kann oftmals mit wenig Aufwand bis hin zur Abschaltung verbessert werden:
• Abstrahlwinkel: Strahler auf die Horizontale neigen, Leuchtmittel mit Lichtlenkung einsetzen wie z.B. Reflektorlampen, Kopfspiegellampen) Bewegungsmelder optimieren
• Lichtintensität: Lichtmenge dimmen, niedrigere Lichtmenge wählen (spart Energie, Reflektion)
• Farbtemperatur: Leuchtmittel tauschen, gegebenenfalls Farbkonversionsfolien verwenden
• Alternativen zu Kunstlicht bedenken


Sanierung von Flutlichtanlagen

Durch Umrüstung und Konzentration von Flutlicht auf die eigentliche Sportstätte muss diese umweltverträglicher gestaltet werden, zumal meist öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen werden. Unbeachtet dessen gilt die Einhaltung der Immissionsrichtlinie und eine Beleuchtung wesentlich über die Nutzfläche hinaus ist zu vermeiden.
• Leuchten einsetzen, die im installierten Zustand nicht oberhalb der Horizontalen (ULR = 0%) und nicht rückwärtig abstrahlen (also etwa asymmetrische Fluter einsetzen)
• Erfolgt die Planung unter Zuhilfenahme der DIN EN 12193 „Sportstättenbeleuchtung“, sollten die lichttechnischen Mindestanforderungen nicht überschritten werden:
• Auf Sportplätzen, die nur für regionale Wettkämpfe und Training genutzt werden, darf die Beleuchtungsstärke keineswegs 75 Lux (Klasse III) überschreiten; bei Klasse II nicht mehr als 200 Lux.
• Bedarfsorientiert steuer- und dimmbare Anlagen verwenden
• Nur Farbtemperatur von max. 3.000 Kelvin wählen.
• Beleuchtung nur während der Benutzung einschalten.
• Bei Sporthallen nachts Lichtaustritt aus Oberlichtern oder Fenstern vermeiden.

weiter Info: Planungshilfe für Sportstätten im Biosphärenreservat Rhön


Maßnahmen in Kürze

Vermeidung im Vorfeld:
• Sensibilisierung, Öffentlichkeitsarbeit, Informationsveranstaltungen
• Frühzeitige Bauherreninformation, Förder- und Beratungsmöglichkeiten nutzen, Ausschreibungen entsprechend formulieren
• Best practice Beispiele aufzeigen
Wirksamer sind (je mit kurzen Erläuterungen; z.B. zu den Rechtsgrundlagen):
• Festsetzungen im Bebauungsplan durch die Gemeinde (oder eingefordert durch die Träger öffentlicher Belange, Bürger/innen, Bauaufsicht)
• Anlassbezogene Vorgaben in der Baugenehmigung (Kommunen können das z.B. über die Möglichkeit der Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung durch die Baurechtsbehörde einfordern)
• Implementierung von Vorgaben in Förderprogramme, Ausschreibungsunterlagen
• Vorgaben und Auflagen im Rahmen von Grundstücksverkäufen bzw. Vorgesprächen, in Förderprogrammen
• Beschluss Beleuchtungsrichtlinie, kommunale Lichtgestaltungssatzung

Anforderungen an rücksichtsvolle Außenbeleuchtung
Bei begründetem Entscheid für neue Beleuchtung sind folgende Grundsätze anzuwenden:
• Licht nur zweckgebunden einsetzen: nur wenn und wo tatsächlich notwendig
• Lichtleistung (Intensität) auf das notwendige Maß begrenzen
• Licht nur nach unten auf Nutzfläche lenken; keine flächigen Anstrahlungen, kein Licht auf Vegetation
• Licht nur mit geringem Blauanteil; d.h. 1700 bis 2700 Kelvin, max. 3000 Kelvin Farbtemperatur
• Licht gut steuern: gut eingestellte Bewegungsmelder, besser: Schalter mit Zeitschaltuhr

Optimierung Bestandsbeleuchtung
Bei Umrüstung sind die oben genannten Grund-sätze anzuwenden.
• Optimierung der eigenen Liegenschaften, Überprüfung Förderprogramme, Ausschreibungsunterlagen
• Nächtliche Begehung und Bestandsaufnahme der Beleuchtungssituation
• Alternativen zu Licht prüfen wie Markierungen, Reflektoren
• Verbesserung Abstrahlwinkel: Strahler auf die Horizontale neigen, Leuchtmittel mit Lichtlenkung einsetzen (z.B. Reflektorlampen, Kopfspiegellampen), Bewegungsmelder optimieren
• Lichtmenge dimmen, niedrigere Lichtmenge wählen (spart Energie und Reflektion)

Öffentlichkeitsarbeit/Dokumentation

• Infovorträge, Rundgänge, Bestandsaufnahmen, Foto-Dokumentation, Messungen
• Veranstaltungen rund um das Thema Nacht/Sterne: poetisch, astronomisch, kulturell
• Links zum und Kooperation mit dem Sternenpark Rhön oder anderen ähnlichen Initiativen


Glossar

Beleuchtungsstärke: gibt in der Maßeinheit Lux (lx) den Lichtstrom (gemessen in Lumen, lm) an, den eine Lichtquelle auf eine Fläche strahlt. Diese hängt ab von der Lichtstärke der Lichtquelle (gemessen in Candela, cd), von der Abstrahlcharakteristik und dem Abstand der Lichtquelle von der beleuchteten Fläche (oder Gegenstand).

Farbtemperatur: K – Kelvin

Lichtstrom (Lichtmenge): Einheit Lumen (lm) gibt die abgestrahlte Leistung im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts an. Einen Lichtstrom von 1000 Lumen gibt eine konventionelle Glühlampe mit 75 W, oder eine LED mit 10 W (Stand 2020) ab.

Leuchtdichte ist die lichttechnische Größe, die das Auge wahrnimmt („Helligkeit“). Gemessen wird sie in Candela/m², cd/m².

Upward Light Ratio (ULR): oberhalb der Horizontalen abgestrahlter Anteil des Lichtstroms einer Leuchte im installierten Zustand (Angabe dimensionslos oder in Prozent: 0,01 = 1%)

Wellenlänge: nm – Nanometer


Weiterführende Literatur

Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) (2012): Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen; insbesondere Punkt 6 und Anhang 1 „Hinweise über die schädliche Einwirkung von Beleuchtungsanlagen auf Tiere“

UNESCO-Biosphärenreservat Rhön:

I. Beleuchtungsrichtlinien des Sternenpark Rhön

II. Planungshilfen für verschiedene Beleuchtungsbedarfe und Grafiken

Projekt Sternenpark Schwäbische Alb: Mit Informationen zu Leuchtmitteln, zu Straßenbeleuchtung und deren Umrüstung, für Gemeinden , für Bauherren, u.a.m.

Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (2020):
TAB-Arbeitsbericht Nr. 186: Ursachen, Ausmaß und Auswirkungen der Lichtverschmutzung

Bundesamt für Naturschutz

Schutz der Nacht – Lichtverschmutzung, Biodiversität und Nachtlandschaft (2013)

Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen – Anforderungen an eine nachhaltige Außenbeleuchtung, BfN-Skripten 543(2019)

Eurobats : Leitfaden für die Berücksichtigung von Fledermäusen bei Beleuchtungsprojekten (2019)

Informationsdienst der Juristinnen/Juristen im Umweltrecht e.V. (IDUR) (2019): Lichtverschmutzung in der Bauleitplanung

Sanders, D., Frago, E., Kehoe, R. et al. (2021): A meta-analysis of biological impacts of artificial light at night. Nat Ecol Evol 5, 74–81.

Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags (2019):
Sachstand Lichtverschmutzung – Rechtliche Regelungen zur Beschränkung von Beleuchtung in Deutschland und ausgewählten europäischen Staaten

LNV-Info als pdf zum Herunterladen: Schutz der Nacht

Stuttgart, 20.08.2021

Bearbeitung:
Sabine Frank, Fachstelle Sternenpark Biosphärenreservat Rhön beim Landkreis Fulda
Dr. Andreas Hänel, Fachgruppe Dark Sky
Dipl. Ing. Conrad Fink, Vorstandvorsitzender des BUND Stadtverbands Freiberg am Neckar
Dr. Anke Trube, LNV-Geschäftsführerin

unter Mitwirkung von:
Dr. Matthias Engel, Projekt Sternenpark Schwäbische Alb

P.S. Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge ist die LNV-Geschäftsstelle stets dankbar.