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Fischaufstiegsanlagen sind zumutbar

LNV-Info 5/2025

Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim vom 04.06.2025 (Az 14 S 1934/24)
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Zur Historie
Herstellung der Durchgängigkeit nach WRRL
Das VGH-Urteil
Fazit
Weitere Klage anhängig

Einleitung
Die NeckarAG hat gegen einen Planfeststellungsbeschluss (PFB, Änderungsbeschluss vom 4.6.2024 zum PFB vom 21.12.2021) der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) in Mainz beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg geklagt. Sie befürchtet wegen des Neubaus einer geplanten Fischaufstiegsanlage (FAA) in Bad Friedrichshall-Kochendorf nachteilige Auswirkungen auf ihre Wasserkraftanlage (WKA) und will u.a. dauerhafte Energieerzeugungsverluste (1,7% Wasserverlust von der Ausbaumenge) nicht entschädigungslos hinnehmen.

Historie
Im „Neckar-Donau-Staatsvertrag“ wurde am 01.6.1921 zwischen dem Deutschen Reich, Württemberg, Baden und Hessen festgelegt, den Neckar zwischen Mannheim und Plochingen zur Schifffahrtsstraße auszubauen. Für die Umsetzung der Baumaßnahmen wurde die NeckarAG gegründet, die in einem Konzessions- und Bauvertrag vom 03.2.1922 auch das Recht zur Nutzung der Wasserkraft erhielt (100 Jahres-Vertrag für den Zeitraum vom 1.1.1935 bis zum 31.12. 2034). Mit dem Neckarausbau wurde in den 1920er Jahren begonnen und er war 1968 abgeschlossen.
Der Neckar weist 27 Staustufen (Wehre mit Schleusen) auf, die von der Bundeswasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) betrieben und unterhalten werden.
Die NeckarAG betreibt an 24 der 27 Staustufen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft. Sie ist eine Aktiengesellschaft, deren Grundkapital zu mehr als 90% von der öffentlichen Hand gehalten wird.

Herstellung der Durchgängigkeit nach WRRL
Gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) aus dem Jahr 2000 sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, alle Gewässer in einen guten ökologischen und guten chemischen Zustand zu bringen. Der Bundesgesetzgeber hat im Jahr 2009 mit den neuen Regelungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) den EU-Ordnungsrahmen u.a. zur Bewirtschaftung oberirdischer Gewässer in den §27ff und §34 WHG verankert. Deshalb ist der Bund nach §34 Abs. 3 WHG auch verpflichtet, an einer von ihm betriebenen Stauanlage eine Fischaufstiegsanlage (FAA) zu errichten, um die Bewirtschaftungsziele des §27 WHG zu erreichen.
In einem ersten VGH-Urteil vom 01.2.2023 wurde der erste Planfeststellungsbeschluss der GDWS in Mainz zur FAA in Kochendorf noch wegen Abwägungsfehleinschätzung (insbesondere wegen eigentumsrechtlichen Positionen) für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Geklagt hatten die NeckarAG als Stromerzeuger und die RWE PowerAG als Stromabnehmer.
Die GDWS hat in ihrem 2. Änderungsbeschluss vom 4.6.2024 deshalb auch die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit des Neckars in Kochendorf festgeschrieben und der Betreiber NeckarAG muss mit einer Belastung seines Kraftwerksbetriebes rechnen und dies entschädigungslos hinnehmen.

Das VGH-Urteil
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim hat in seinem Urteil vom 4.6.2025 (Az. 14 S 1934/24) zum 2. Planänderungsbeschluss der GDWS die Klage der NeckarAG vom 5.7.2024 abgewiesen und sie aufgrund von §34 WHG verpflichtet, den Neubau der FAA in Kochendorf entschädigungslos zu dulden. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Das VGH-Urteil ist seit dem 25.7.2025 rechtskräftig.
Die Planung der FAA in Kochendorf soll nun weitergeführt werden. Der Baubeginn ist derzeit noch nicht absehbar.

Fazit
Wasserkraftanlagen (WKA) stellen Stauanlagen im Sinne von §34 Abs. 2 WHG (Wasserhaushaltsgesetz) dar.
Ist der Bund nach §34 Abs.3 WHG verpflichtet, nach an einer vom ihm betriebenen Stauanlage an einer Bundeswasserstraße eine Fischaufstiegsanlage (FAA) zu errichten, um die Bewirtschaftungsziele des §27 WHG zu erreichen, haben die Betreiber von Kraftwerken an der Stauanlage mit Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit zu rechnen. Die Vorschriften konkretisieren die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz).
Nach §34 Abs. 2 WHG ist der Betreiber einer Wasserkraftanlage (WKA) für die Durchgängigkeit eines Gewässers grundsätzlich ebenfalls materiell verantwortlich. Fehlt die Durchgängigkeit und ist deren Wiederherstellung zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele nach WRRL erforderlich, kann die (Mit)Verantwortung des Kraftwerksbetreibers für die Bemessung der Zumutbarkeitsgrenze berücksichtigt werden, wenn er selbst substanziell zum Verlust der Gewässerdurchgängigkeit beigetragen hat.
Für die Gewässer I. und II. Ordnung lässt sich daraus ableiten: Werden Maßnahmen zur Erreichung der Gewässerdurchgängigkeit von Land, Kommunen oder Vereinen (mit)finanziert, so kann die Planfeststellungsbehörde bei wirtschaftlich starken WKA-Betreibern zum Ergebnis kommen, dass beim Anlagenbetreiber keine Existenzgefährdung besteht und Entschädigung nicht zu zahlen ist.

Weitere Klage anhängig
Auch in Lauffen am Neckar ist der Neubau einer Fischaufstiegsanlage geplant. Gegen den PFB der GDWS vom 16.12.2020 haben die NeckarAG als Stromerzeuger und die EnBW Energie Baden-Württemberg AG und die ZEAG Energie AG in Lauffen als Stromabnehmer am 22.4.2021 Klage vor dem VGH Baden-Württem¬berg eingereicht. Im Beschluss vom 19.7.2023 erklärte der VGH den PFB für rechtswidrig und nicht vollziehbar. Die Planfeststellungsbehörde wird einen ergänzenden Beschluss für die FAA Lauffen erlassen und sollte auch gegen diesen Beschluss Klage beim VGH eingereicht werden, berichtet der LNV über das Urteil.
Die NeckarAG verweigert sich seit Jahrzehnten auch bei der Abgabe von ausreichendem Mindestwasser in die Neckar-Altarme und wird ihrer Verantwortung für die Verbesserung der Gewässerökologie in diesen Abschnitten nicht gerecht.

Stuttgart 08.08.2025
gez. Carsten Scholz, LNV-Referent für Oberflächen-gewässer
Tel.: 0711 – 24 89 55-20
E-Mail: info@lnv-bw.de

Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge ist die LNV-Geschäftsstelle stets dankbar.

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