Naturschützer*innen fordern wirksamen Naturschutzausgleich
Eingriffe in die Natur werden zu oft weder naturschutzfachlich sinnvoll noch gesetzeskonform ausgeglichen / „Zukunftsforum Naturschutz“ verabschiedet Resolution mit Forderungen an Politik und Verwaltung
Bei der Tagung „Zukunftsforum Naturschutz“ in Stuttgart haben die über 200 Teilnehmenden am Samstag (11.11.2023) in einer Resolution gefordert, dass Eingriffe in den Naturhaushalt so minimiert und ausgeglichen werden, dass unter dem Strich keine Verschlechterung eintritt. Das sieht zwar das Gesetz bereits vor, es wird in der Praxis jedoch oft nicht erfolgreich umgesetzt. Die Folge: Viele Ausgleichsmaßnahmen zeigen kaum Wirkung und die Schäden an der Natur summieren sich immer weiter auf.
„Vermeiden – Vermindern – Kompensieren“ – nach diesem Dreiklang müssen Schäden durch Eingriffe in die Natur etwa durch Neubaugebiete oder Straßenbauten eigentlich minimiert werden. Ziel ist, einen Nettoverlust an der Natur zu vermeiden. „Viel zu oft gelingt das nicht – oder wird gar nicht ernsthaft versucht“, kritisierte der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV), Dr. Gerhard Bronner, am Samstag auf dem „Zukunftsforum Naturschutz“. Die alljährliche Tagung des LNV setzt sich in diesem Jahr ausführlich mit dem Sinn von Kompensationsmaßnahmen auseinander.
Derzeitige Verfahren mit langer Mängelliste
Die Liste der Defizite ist aus Sicht der Tagungsteilnehmer*innen lang. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben, werde allzu oft bereits der erste Schritt vernachlässigt: die Prüfung, ob es für einen Eingriff in die Natur schonendere Alternativen gibt. Werden dann Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt, haben sie oft weder die nötige Qualität, noch werden sie transparent dokumentiert. Kontrollen durch Öffentlichkeit oder Naturschutzverbände sind somit kaum möglich.
„Beim baurechtlichen Ausgleich haben beispielhafte Untersuchungen besonders eklatante Mängel offenbart. Demnach wird nur die Hälfte der festgesetzten Maßnahmen fachgerecht umgesetzt, existiert überhaupt noch und wird fachgerecht unterhalten“, sagte Bronner. Insbesondere kleine Kommunen seien mit den Verpflichtungen personell überfordert. Gemeinsam setzen sich Kommunal- und Umweltverbände daher für flächendeckende „Kompensationsagenturen“ ein, die die Kommunen unterstützen. In der Region Bodensee-Oberschwaben und im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald gibt es sie bereits, in manchen Gemeinden leisten dies Planungsbüros. „Bisher zeigt sich das zuständige Ministerium dieser Forderung gegenüber jedoch zugeknöpft“, sagte Bronner.
Grundsatz in Gefahr: Realkompensation vor Kompensationszahlung
Besonders große Sorgen bereitet den Naturschützer*innen das Vorhaben der Bundesregierung, den Vorrang der Realkompensation vor Kompensationszahlungen aufzugeben. „Wer in die Natur eingreift, könnte sich dann mit Geld freikaufen“, erklärte Bronner. „Solch ein Ablasshandel hilft der Natur aber nicht.“ Bislang müssen die Verursacher einen Eingriff in der Regel selbst ausgleichen und dafür auch die benötigten Flächen organisieren, was oftmals das größte Problem ist. Einfache Geldzahlungen seien daher wenig hilfreich.
Die Teilnehmer*innen des Zukunftsforums forderten daher in ihrer Resolution unter anderem, den Vorrang der Realkompensation beizubehalten, die Vorgaben zur Vermeidung und Minimierung von Eingriffen konsequent umzusetzen und alle Kompensationsmaßnahmen zentral im Internet zu dokumentieren, um eine Kontrolle zu ermöglichen. „Eingriffe in die Natur werden sich nie ganz vermeiden lassen. Umso wichtiger ist es, dass wir damit einen Umgang finden, bei dem Tiere und Pflanzen nicht weiterhin die Dummen sind“, so Bronner.
Veranstalter des Zukunftsforums Naturschutz sind der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg als Dachverband der Natur- und Umweltschutzverbände im Südwesten sowie das Evangelische Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart.
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Tagungsbericht, Vorträge
Der Landesnaturschutzverband dankt der LBBW-Stiftung für die Unterstützung der Veranstaltung.