Bild: Manfred Grohe

LNV kritisiert anhaltenden Flächenverbrauch

Verzicht auf 2.000 Kubikmeter Wasserspeicherung pro Hektar
Flächenstatistik des Statistischen Landesamtes (StaLa) für 2023 weiter besorgniserregend

5,1 ha täglicher Flächenverbrauch in Baden-Württemberg
Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV), Dachverband der Natur- und Umweltschutzverbände im Land, kann in 5,1 ha täglichem Flächenverbrauch für Bauvorhaben auch in 2023 keinen Beleg für einen abnehmenden Trend erkennen. Nach der jüngsten Flächenstatistik des Statistischen Landesamtes wurden im Jahr 2023 14,9 % der Fläche Baden-Württembergs für Siedlungs- und Verkehrszwecke genutzt. Der ungebremste Flächenverbrauch von täglich 5,1 ha führt zu einer weiteren Steigerung.

Flächenverbrauch verharrt auf zu hohem Niveau
Tatsächlich hat sich in den vergangenen 11 Jahren hier nichts getan, die Flächenverbrauchszahlen pendeln um die 5 ha pro Tag und verharren auf zu hohem Niveau. Sie sind weit entfernt vom im Koalitionsvertrag gesteckten Ziel der ‚Netto-Null‘. Von diesem Ziel hat sich der Landtag leider mit großer Mehrheit beim Umgang mit dem Volksantrag „Ländle leben lassen“ verabschiedet.

Verlust von Lebensraum, Boden, Selbstreinigungskraft und CO2-Speicher
Flächenverbrauch ist nicht ‚Verbrauch von Fläche‘ sondern Verbrauch von natürlichem und naturnahem Lebensraum und vor allem ist er ersatzloser Verbrauch von Boden und dessen vielfältigen Funktionen. Mit jedem Quadratmeter Überbauung – so der LNV – verschwinden Arten, verschwinden Nährstoffe, verschwindet CO2-Speicher, es verschwindet aber auch Schadstoffrückhaltevermögen, es verschwindet Wasserspeicher, es verschwindet Temperaturregelung und die Grundlage für unsere Ernährung und für eine nachhaltige Rohstoffversorgung.

Kreislaufwirtschaft verlangt auch Flächenkreislauf
Auch aus Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen muss die Neuflächeninanspruchnahme auf das absolute Minimum reduziert werden. Es muss umgesteuert werden in eine echte Flächenkreislaufwirtschaft und ein effektives Flächensparen. Wirksame und innovative Maßnahmen und Instrumente zur Zielerreichung sind allen Akteuren und Verantwortlichen lange bekannt, genießen aber keine politische Priorität. Eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung muss nicht zwangsläufig verknüpft sein mit der Neuinanspruchnahme von Böden (Fläche).

Beispiel England: halbierter Siedlungsflächenzuwachs
Konsequenter Freiflächenschutz und ein aktives Flächenrecycling zeigten in England schon zu Beginn des Jahrtausends (SRU, 2004), dass die Transformation von Ökonomie und Gesellschaften auch ohne überbordende Flächenneuinanspruchnahme und ohne Wohlstandsverlust gelingen kann. Dort lag der Siedlungsflächenzuwachs umgerechnet auf die Bevölkerung bei weniger als der Hälfte wie bei uns.

Wasserspeicherverlust führt zu Hochwasser
Versteckte Kosten: jährlicher Verlust an Wasserspeichervermögen entspricht 180 Mio. Euro Investitionen in Hochwasserschutz
Dass der Flächen-(Boden-)verbrauch ‚versteckte‘ Kosten erzeugt und damit der Schutz von Freiflächen auch ökonomische Vorteile hat, zeigt folgende überschlägige Rechnung:
Jeder Hektar gewachsenen Bodens stellt uns ca. 2.000 Kubikmeter an Wasserspeichervolumen kostenlos zur Verfügung. Nimmt man weiterhin die Kosten zur Herstellung von einfachen Regenrückhaltebecken mit 100 EUR/Kubikmeter Speichervolumen an, lässt sich alleine das Wasserrückhaltevermögen eines unversiegelten, gewachsenen Bodens auf 200.000 EUR/ha beziffern. Wollte man den Bodenverlust eines Jahres in nur dieser einen Bodenfunktion mit entsprechenden Rückhaltebauwerken ausgleichen und werden dabei nur die Hälfte der Fläche als Totalverlust angenommen, wäre ein Aufwand von um die 180 Mio. EUR erforderlich. In der Realität wird nur ein Bruchteil dieses Wasserrückhaltevermögens ausgeglichen, der Großteil des Defizits verlässt als „schnelles Wasser“ die Landschaften und wird hochwasserrelevant mit den hinlänglich bekannten Folgen.

Forderungen des Volksantrags „Ländle leben lassen“ gelten weiter
Die Forderungen aus dem Volksantrage ‚Ländle leben lassen‘ haben weiterhin Bestand. Der Flächenfraß muss gestoppt werden. Von einem fallenden Trend im Flächenverbrauch kann keine Rede sein.

Hintergrundinformationen
Pressemitteilung Statistisches Landesamt

Umweltgutachten des Umweltrats (Nr 211, S 166)