LNV begrüßt LUBW-Leitfaden „Gewässerrandstreifen“

Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) und NABU Landesverband Baden-Württemberg danken für die Zusendung der oben genannten Unterlagen und die damit verbundene Möglichkeit zur Stellungnahme.

Diese gemeinsame LNV-NABU-Stellungnahme erfolgt zugleich auch im Namen des Landesfischereiverbands und der Landesarbeitsgemeinschaft der Naturschutzbeauftragten.

Wir halten den „Leitfaden zu Gewässerrandstreifen in Baden-Württemberg“ für sehr wichtig und begrüßt ihn ausdrücklich.

Zusammengefasst lauten unsere wichtigsten Anmerkungen bzw. Verbesserungsvorschläge wie folgt:
• Der Leitfaden lässt die wichtige Funktion des Gewässerrandstreifens für die Entwicklung naturnaher Gewässerstrukturen unerwähnt und beschränkt sich streng auf die gesetzlichen Funktionen nach § 38 WHG. Damit wird die wichtige Funktion des Gewässerrandstreifens als Raum für eine eigendynamische Gewässerentwicklung, die nicht sofort in Konflikt mit den angrenzenden Nutzern (im Außenbereich meist Landwirtschaft) gerät, nicht aufgegriffen. Zusammen mit dem im neuen Wassergesetz nicht mehr genannten Instrument des Gewässerentwicklungsplans fehlt damit eine wichtige Triebfeder für die naturnahe Gewässerentwicklung in Baden-Württemberg und damit für den Naturschutz an den Fließgewässern. Wir verweisen auf die Renaturierungspflicht nach § 6 Abs. 2 WHG.
• Der Leitfaden enthält mit Kapitel 3 einen erheblichen Anteil „Rechtlicher Grundlagen“ nicht nur zum Wasserrecht selbst, sondern auch Themen wie Bestandsschutz und Vorkaufsrecht. Wir schlagen vor, das Rechtskapitel als Kap. 5 ans Ende des Leitfadens zu setzen, da juristische Themen die Bewirtschaftenden von Gewässerrandstreifen – Landwirte und Gewässerunterhaltungspflichtige wie die Bauhöfe der Gemeinden – eher nachrangig interessieren. Kapitel 4 „Fachliche Anforderungen“ und Kapitel 5 „Praktische Umsetzung“ sollten entsprechend vorgezogen werden.
• In Kapitel 4 vermissen wir Ausführungen, die die Beziehung zwischen Grundwasser und oberirdischen Gewässern darstellen. Dabei ist das Thema Gewässerrandstreifen auch für den Grundwasserschutz von erheblicher Bedeutung.
• Im Rechtskapitel sowie bei den Ausführungen zum Gewässerrandstreifen im Innenbereich vermissen wir einen Verweis auf das Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg (vom 23.07.2013) und der dort in § 4 Abs. 2 verankerten Klimaanpassungsstrategie , denn den Gewässerrandstreifen können hier neben dem Hochwasserschutz noch weitere wichtige Aufgaben zukommen, wie Erhalt/Rückgewinnung von Freiflächen zur thermischen Entlastung (Durchlüftung, Beschattung).
• Das Thema der regelmäßigen langfristigen Überwachung der Gewässerrandstreifen erscheint uns unzureichend thematisiert. Wir schlagen eine Hervorhebung der Gewässerschauen vor (Näheres s.u.).
• Eine Mahd von an Ackerflächen angrenzenden Randstreifen aus phytosanitären Gründen noch vor der Gräserblüte missachtet die Belange des Arten- und Biotopschutzes und kann so als generelle Empfehlung in einem Leitfaden zu Gewässerrandstreifen nicht stehen bleiben (S. 37, 43, 48, Tabelle S. 49). Wir bitten um Überarbeitung der Textpassagen.
• Wir bitten, keine Empfehlungen für Wegebau in Gewässerrandstreifen zu geben (z.B. Abb. 5.22).

Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln

Zu 8 Fragen, 8 Antworten
Wir begrüßen diese Art der Kurzfassung bzw. Zusammenfassung zu Beginn des Leitfadens.
Die Frage, welche Gewässer von „wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung“ sind, hat schon im Anhörungsverfahren zu reichlich Missverständnissen geführt. Daher schlagen wir vor, die Fundstelle des Amtlichen Digitalen Wasserwirtschaftlichen Gewässernetzes (AWGN) zusätzlich in die Kurzfassung bei Nr. 2 aufzunehmen und ebenso einen Verweis auf Anhang I.

Zu 1. Einleitung
Wir bitten um Prüfung, ob der vierte Absatz auf S. 19 nicht besser in die Einleitung vorgezogen werden sollte. (Rolle der Gewässerrandstreifen bei der Umsetzung der WRRL-Bewirtschaftungspläne).

Zu 2. Begriffe
Am Ende vermissen wir einen Verweis auf das Glossar (= Kapitel 6)

Zu 3. Rechtliche Grundlagen
S. 13 Am Ende des Abschnitts zur Breite von Gewässerrandstreifen würden wir eine Ergänzung begrüßen, Vorschlag:
„Breitere Gewässerrandstreifen als 5 m sind im Innenbereich nicht nur zu Hochwasserschutzzwecken sondern insbesondere auch als Freiflächen zur thermischen Entlastung (Durchlüftung, Beschattung) sinnvoll oder gar notwendig. Dies zu beachten ist Aufgabe der Stadtplanung im Rahmen der Anpassungsstrategie an den Klimawandel (Klimaschutzgesetz BW, § 4 Abs. 2).
S. 18: Auch hier sollte als 3.2.5 das Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg mit seiner Anpassungsstrategie an den Klimawandel (in § 4 Abs. 2 KSG BW) noch ergänzt werden.

Zu 4. Fachliche Anforderungen
Der LNV vermisst im Leitfaden Ausführungen, die die Beziehung zwischen Grundwasser und oberirdischen Gewässern darstellen. Lediglich in Abb. 4.3 und 4.5 sind „Grundwasser“ und „Zwischenabfluss“ in das Bild hineingeschrieben, ohne das es weitergehend erklärt oder definiert wurde. So bleibt unklar, welche Beziehung zwischen Oberflächengewässern und Grundwasser bestehen oder was ein „Zwischenabfluss“ ist und wie er funktioniert. Dabei ist das Thema Gewässerrandstreifen auch für den Grundwasserschutz von erheblicher Bedeutung.

Die aktuellen Fachdiskussionen um die Novellierung der Düngeverordnung zeigen, dass die geltenden fachlichen Anforderungen nicht für einen ausreichenden Schutz der Gewässer gegen direkte Stoffeinträge ausreichen. Die generelle Aussage in Kapitel 4.2.3 „Düngemittel und Pflanzenschutzmittel können nur bei unsachgemäßer Ausbringung direkt in das Gewässer gelangen.“ ist daher nicht zutreffend. Auch an weiteren Stellen im Kapitel 4.2.3 wird der Eintrag von Pflanzenschutz- und Düngemitteln aus der Landwirtschaft kleingeredet und verharmlost. In der Abb. 4.4 wird der Begriff Landwirtschaft vollständig vermieden, deren Beitrag wird mit dem Begriff „diffuse Quellen“ kaschiert. Es wäre angemessener und zeitgemäß, endlich zu Formulierungen zu stehen wie „ auch bei der Einhaltung der guten fachlichen Praxis bei Pflanzenschutzmitteln und Dünger ist ein Nährstoffeintrag nie ganz auszuschließen“.
Der Abschnitt zu Pflanzenschutzmitteln (S. 24) ist unvollständig ohne eine Ergänzung, dass Pflanzenschutzmittel im Falle der Gewinnung von Trinkwasser aus Oberflächenwasser (einschließlich Uferfiltration) auch auf die menschliche Gesundheit negativen Einfluss haben können und deshalb mitunter ein erheblicher technischer und finanzieller Aufwand zur Trinkwasseraufbereitung in den Unterläufen von Fließgewässern betrieben werden muss.

Zu 5. Praktische Umsetzung
S. 27: Die Frage der nicht ständig oder nur episodisch fließenden Gewässer ist für Laien erklärungsbedürftig (Gewässer ohne Wasser!) und sollte allgemeinverständlich ausgeführt werden.

Im Abschnitt 5.4.1 sollte aufgrund der Bedeutung für die Gewässerstruktur und die Biotopvernetzung in der landwirtschaftlich genutzten Umgebung die Entwicklung eines standortgerechten Gehölzbestands als erstes Entwicklungsziel genannt werden, erst dann gefolgt von den alternativen Lösungen mit ihrer jeweiligen Begründung.

Im ersten Absatz (letzter Satz) auf S. 36 wird die weitere Verknappung von Ackerfläche durch Gewässerrandstreifen beklagt. Der Satz sollte ersatzlos gestrichen werden, da:
• Eine ackerbauliche Nutzung von Tälern und Auen insbesondere im unmittelbaren Gewässerumfeld ohnehin nicht standortgerecht ist.
• Die Auswertung der statistischen Bodennutzungserhebungen für die letzten Jahrzehnte zeigt, dass die Ackerfläche trotz Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr weitgehend konstant geblieben ist. Es ist also das Grünland, das innerhalb der LF zugunsten der Ackerfläche deutlich zurückgegangen ist.

Auf S. 39 bzw. in Kap. 5.5.1 „Entwicklungsziele im Innenbereich“ bitten wir, die Ziele und Maßnahmen für die Anpassungsstrategie an den Klimawandel, zu denen ein Gewässerrandstreifen im Innenbereich beitragen kann, zu ergänzen, neben dem Hochwasserschutz etwa noch die Erhaltung/Rückgewinnung von Freiflächen zur thermischen Entlastung (Durchlüftung, Beschattung).

Trotz der vielfach sehr begrenzten Entwicklungsmöglichkeiten für den Gewässerrandstreifen im Innenbereich sollten die Chancen eines naturnahen Gewässerrandstreifens im Innenbereich deutlicher herausgearbeitet werden. Dieser erfüllt mindestens drei Funktionen zugleich:
• Beitrag zum Hochwasserschutz
• Beitrag zur Biotopvernetzung von naturnahen Gewässerabschnitten oberhalb und unterhalb der Siedlung
• Schaffung von wohnungsnahen Naturerlebnismöglichkeiten
• teilweise auch die Freihaltung von Frischluftschneisen (auch als Anpassung an den Klimawandel!)
Diese Chancen müssen immer dann genutzt werden, wenn im Zuge von Überplanungen des Innenbereichs (Sanierung alter Baugebiete, ehemaliger Industrieflächen etc.) die Chance besteht, dem Gewässer wieder mehr Raum zu gewähren.

Die Darstellung in Kapitel 5.5.1, insbesondere Abbildung 5.22 suggeriert die regelmäßige Möglichkeit der Anlage von Wegen im Gewässerrandstreifen. Wir bitten um Änderung dieser Abbildung!
Wege innerhalb des Gewässerrandstreifens sollten auch innerorts eine absolute Ausnahme bleiben, da sie aus Gründen der einfacheren Unterhaltung und Erosionssicherheit doch in asphaltierter oder anderer versiegelter Weise ausgeführt werden und damit die ökologischen Funktionen des Gewässerrandstreifens zerstören. Für wohnortnahe Naturerlebnismöglichkeiten ist die Schaffung lediglich lokaler Zugänge besser oder zumindest der Hinweis, dass Wege nur als wassergebundene Decken bzw. in nicht versiegelter Ausführung denkbar sind.
Im Außenbereich bemüht sich der LNV seit vielen Jahren, die Flurneuordnungsverwaltung davon zu überzeugen, notwendige Feldwege nicht „platzsparend“ in die Gewässerrandstreifen zu bauen und diese damit zu entwerten. Zwischenzeitlich hat die Flurneuordnungsverwaltung eingelenkt. Es darf nicht sein, dass die LUBW für den Innenbereich Wegebau im Gewässerrandstreifen empfiehlt!

In Kapitel 5.6 (S. 50) „Unterhaltung und Entwicklung“ schlagen wir vor, den letzten Absatz „Gewässerschau“ als eigenständiges Unterkapitel „Überwachung der Gewässerrandstreifen“ aufzuwerten und auszuformulieren. Denn dort werden zwar Pflegemaßnahmen dargestellt und eine Regelmäßigkeit der Gewässerschau („zumindest alle 5 Jahre“) angesprochen, das Thema der regelmäßigen langfristigen Überwachung der Gewässerrandstreifen erscheint aber unzureichend thematisiert. Es geht schließlich nicht nur um eine einmalige Einrichtung oder Herstellung der Gewässerrandstreifen.

Weitere Hinweise auf Schreib- oder Verweisfehler
S. 29: In Abb. 5.5 ist die Uferlinie – anders als in Abb. 5.4 und 5.6 – nicht an die MW-Linie gelegt. Der Text bezieht sich aber auf die Mittelwasserlinie.
S. 11, 5. Absatz: Verweis auf „Kapitel 3.1“ (richtig wäre auf „Abb. 3.1“)
S. 15, vorletzter Absatz: „an Gewässern 1erster Ordnung“ “ (richtig wäre „erster“)
S. 19, 4. Abschnitt: „Reglungen zu Gewässerrandstreifen“
S. 34, 2. Absatz: „biete(t) sich ein Hochstaudensaum an“
S. 49, 9. Zeile der Tabelle: „Wisen“ statt „Wiesen“

Wir bitten um Berücksichtigung unserer Verbesserungsvorschläge.

Die vollständige LNV-Stellungnahme finden Sie hier:

LNV-Stellungnahme zum Gewässerrandstreifen