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Kein Bauen im Gewässerrandstreifen oder im Erholungsschutzstreifen in Baden-Württemberg

LNV-Info 03/2025
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Einleitung
Der Boom zu Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen (FF-PV-Anlagen) führt derzeit in vielen Landesteilen zu Bebauungsplänen für diese Anlagen im Außenbereich.
Manche Gemeinden halten dafür den gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerrandstreifen von beidseits 10 m (§ 29 WG BW) nicht ein. Sie begründen dies damit, dass mit der Ausweisung eines Bebauungsplans die Fläche zum Innenbereich wird, für den nur ein Gewässerrandstreifen von 5 m einzuhalten ist (§29 WG BW).

Was ist „Innenbereich“ nach BauGB?
Nach Auskunft des für Baurecht zuständigen Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg (MLW) ist der Innenbereich grundsätzlich durch eine Bebauung geprägt, die im Wesentlichen aus Gebäuden besteht, die zum dauernden Aufenthalt von Personen geeignet und bestimmt sind. Diese Bebauung kann mit oder ohne Bebauungsplan entstanden sein.
Allein das Vorliegen eines Bebauungsplans schafft keinen Innenbereich, da mit Bebauungsplänen beispielsweise auch ganz ohne bauliche Anlagen auskommende Nutzungen wie Grün- und Landwirtschaftsflächen oder mit wenig baulichen Anlagen auskommende Nutzungen wie Golfplätze geregelt werden können. (MLW, Auskunft vom 28.02.2025)
Auch laut IDUR geht durch Einbeziehung des Gewässers in ein Baugebiet der Gewässerrandstreifen nicht verloren. Er kann nicht in einem zweiten Schritt mit dem Argument, jetzt handele es sich nicht mehr um einen Außenbereich, reduziert oder in Anspruch genommen werden. Dies würde eine formelle Umgehung der materiellen Gesetzesregelung darstellen. (IDUR an BUND, Auskunft vom 02.04.2022)
Was als Gewässer gilt, ist übrigens im Amtlichen Wasserwirtschaftlichen Gewässernetz definiert. Die Karten sind im Daten- und Kartendienst der LUBW im Themenbereich Wasser zu finden.

Funktion und Breite des Gewässerrandstreifens
Die Funktion des Gewässerrandstreifens ist in § 38 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) definiert:
Gewässerrandstreifen dienen der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung , der Sicherung des Wasserabflusses sowie der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen.“
Was seine Breite anbelangt, ist das baden-württembergische Wassergesetz (WG BW) strenger als die Vorgabe dieses Bundesgesetzes. Das WHG gibt nur lediglich 5 m Breite im Außenbereich vor.
„§ 38 Abs. 3 WHG: Der Gewässerrandstreifen ist im Außenbereich fünf Meter breit. Die zuständige Behörde kann für Gewässer oder Gewässerabschnitte
1. Gewässerrandstreifen im
Außenbereich aufheben,
2. im
Außenbereich die Breite des Gewässerrandstreifens abweichend von Satz 1 festsetzen,
3.
innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile Gewässerrandstreifen mit einer angemessenen Breite festsetzen.
Die Länder können von den Sätzen 1 und 2 abweichende Regelungen erlassen.“

Eine solche abweichende Regelung enthält § 29 Abs. 1 WG BW:
„Der Gewässerrandstreifen ist im Außenbereich zehn Meter und im Innenbereich fünf Meter breit.“

Der Erholungsschutzstreifen (nach § 61 BNatSchG)
Auch nach Naturschutzrecht sollen Gewässer und Uferzonen von Bebauung freigehalten werden (sog. Erholungsschutzstreifen), und zwar in einer Breite von 50 m (§ 61 Bundesnaturschutzgesetz).
„Im Außenbereich dürfen an Bundeswasserstraßen und Gewässern erster Ordnung sowie an stehenden Gewässern mit einer Größe von mehr als 1 Hektar im Abstand bis 50 Meter von der Uferlinie keine baulichen Anlagen errichtet oder wesentlich geändert werden. …Weiter gehende Vorschriften der Länder bleiben unberührt.“

Ausgenommen sind nur wasserwirtschaftliche notwendige Bauten (§ 61 Abs. 2 BNatSchG).
Nach Landesrecht gilt das Verbot auch für Wohnwagen und Wohnmobile (§ 47 Abs. 1 NatSchG BW.
„(1) § 61 Absatz 1 Satz 1 BNatSchG gilt auch für nicht dauerhaft aufgestellte Unterkünfte, insbesondere Wohnwagen und Wohnmobile.“
Die Naturschutzbehörde dürfte den Erholungsschutzstreifen bei Bedarf sogar auf Gewässer II. Ordnung ausdehnen:
§ 61 Absatz 1 Satz 1 BNatSchG durch Rechtsverordnung für bestimmte Gewässer zweiter Ordnung im Außenbereich festlegen, soweit es das Erholungsinteresse der Bevölkerung erfordert und nicht Regelungen nach § 29 WG entgegenstehen….“
Gewässer I. Ordnung sind übrigens als Anlage 1 im Wassergesetz Baden-Württemberg zu finden.

Darstellungspflicht in der Bauleitplanung?
Spätestens auf der Ebene des Bebauungsplans müssen Gewässerrandstreifen (nach § 38 WHG, § 29 WG BW) und Erholungsschutzstreifen an Gewässern I. Ordnung (nach § 61 BNatSchG, § 47 NatSchG BW) dargestellt und beachtet werden. Wenn der Maßstab es zulässt, ist dies auch bereits auf Ebene des Flächennutzungsplans notwendig.

Empfehlungen für LNV-Arbeitskreise und andere Naturschutzgruppen
LNV-Arbeitskreisen sollten in ihren Stellungnahmen zu Bebauungsplänen für Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen die Darstellung und Freihaltung von 10 m breiten Gewässerrandstreifen an allen Gewässern einfordern. Dies gilt im Fall von Gewässern I. Ordnung auch für den Erholungsschutzstreifen von 50 m Breite.
Textvorschlag:
Der vorgelegte Bebauungsplan stellt den Gewässerrandstreifen von 10 m Breite (nach § 29 WG BW) nicht dar, der von Bebauung frei zu halten ist, damit er seine besonderen Funktionen ausüben kann. Denn laut § 38 WHG dienen „Gewässerrandstreifen … der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung, der Sicherung des Wasserabflusses sowie der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen.“
Wir fordern die Nachbesserung des Bebauungsplans und die erneute Anhörung auf Basis der korrigierten Unterlagen.

Sollte die Freiflächen-Photovoltaik-Anlage an Gewässern I. Ordnung geplant werden, so ist in der Stellungnahme die Forderung nach Darstellung in den Karten auf den Erholungsschutzstreifen nach § 61 BNatSchG auszuweiten.
Der LNV empfiehl den LNV-Arbeitskreisen zudem, im Fall des geplanten Baus in den Gewässerrandstreifen (nach § 29 WG BW) hinein die untere Wasserbehörde zur Ablehnung des Vorhabens aufzufordern bzw. die Ausnahmegenehmigung samt Begründung anzufordern.
Im Fall des Bauens in den Erholungsschutzstreifen (nach § 61 BNatSchG) hinein ist entsprechend die untere Naturschutzbehörde anzuschreiben.

Stuttgart 28.05.2025
gez. Dr. Anke Trube

Der LNV dankt dem LNV-Arbeitskreis Hohenlohekreis für den Anstoß zu diesem LNV-Info

P.S. Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge ist die LNV-Geschäftsstelle stets dankbar.

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