Folgen für Weinbergterrassen als Lebensraum einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt
Neben dem Weinbau bieten die Weinbergterrassen mit ihren Trockenmauern auch wertvollen Lebensraum für eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt. Seit Jahren plädiert der LNV für einen naturverträglichen Weinbau auf Terrassenlagen. Zur Zeit steht der Terrassenweinbau in den Steillagen in starker Konkurrenz zum Anbau in flurbereinigten Weinbergen. Der ungleich höhere Arbeitsaufwand in den Steillagen kann kaum durch höhere Verkaufspreise kompensiert werden.
Mit der Europäischen Weinmarktreform kommen ab 2015 bzw. 2018 noch größere Gefahren auf den Steillagen-Weinbau zu, da ab dann der Rebenanbaustopp aufgehoben werden soll. Dies bedeutet, dass dann auch Reben im Flachland angebaut werden dürfen, ein für unsere Landschaft ungewohntes Bild. Dadurch entsteht dem Weinbau in Steillagen eine weitere Konkurrenz.
Im Hinblick auf die unverzichtbare Kulturlandschaft der Terrassenweinberge an Neckar und Enz hat der LNV den Minister für Ernährung und Ländlichen Raum angeschrieben und um Antwort auf einige Fragen gebeten. Mit Schreiben vom 12.05.2009 (Az 24-8332.00) antwortet der Minister wie folgt.
Grundsätzliches zum Terrassen- und Steillagenweinbau
Ziel des MLR ist es, den Weinbau in den Hang- und Steillagen sowie den Terrassenweinbau zu erhalten. Zur Unterstützung des Weinbaus in Hang- und Steillagen werden deshalb eine Reihe von Fördermaßnahmen angeboten, die aus Sicht des MLR bislang mit dazu beigetragen haben, eine weitgehend geschlossene Bewirtschaftung der Steillagen sicher zu stellen.
Der Erhalt der gewachsenen Weinbau-Kulturlandschaften ist wesentlich mit der Frage des Anbaustopps für Reben verbunden. Nach aktueller Rechtslage läuft der Anbaustopp für Reben im Jahr 2015 aus und kann national noch bis zum Jahr 2018 verlängert werden. Im Rahmen des für die gemeinsame Weinmarktorganisation im Jahr 2012 vorgesehenen Health-Check kann die für den Anbaustopp vorgesehene
Regelung noch einmal diskutiert und gegebenenfalls modifiziert werden. In der letzten Resolution der Versammlung der Europäischen Weinbauregionen (AREV), in der auch Baden-Württemberg aktives Mitglied ist, haben alle 65 Weinbauregionen zum Ausdruck gebracht, dass „der Verzicht auf die bestehenden Anbauregeln in vielen Regionen Europas unweigerlich zur Entstehung einer agrarindustriellen Produktion führt und den Bemühungen um Förderung von Qualität und Schutz der Kulturlandschaften und Steillagen zuwiderläuft“.
Insofern besteht aus Sicht des MLR noch einmal eine Chance, beim Health-Check den bestehenden Beschluss zum Anbaustopp zu revidieren bzw. zu relativieren.
1. Position des MLR zur Europäischen Weinmarktreform
Baden-Württemberg hat in Bezug auf die Reform der Europäischen Weinmarktordnung folgende Positionen vertreten:
– Beibehaltung des bestehenden Pflanzrechtssystems und des Anbaustopps für Reben,
– Verzicht auf Rodungen als elementarer Bestandteil der Reform,
– Rückführung der Marktmaßnahmen „Destillationen“ und Überführung der hierfür benötigten Mittel in nationale Weinbudgets,
– Beibehaltung der traditionellen önologischen Verfahren,
– Beibehaltung der Qualitätspolitik in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und
– Erhalt der bisherigen bezeichnungsrechtlichen Möglichkeiten bei Integration des deutschen Bezeichnungsrechts in das europäische System der geschützten Ursprungsbezeichnungen.
Mit Ausnahme der Thematik „Anbaustopp“ konnte das MLR seine Positionen bei der Weinmarktreform durchsetzen.
2. Weinbau im Flachland
Der Weinbau in Baden-Württemberg wird zum überwiegenden Teil in Hanglagen mit 15% bis 45% Hangneigung und Steillagen über 45% Hangneigung betrieben. Daran soll auch in Zukunft festgehalten werden. Die bestehenden Flachlagen sowie Hanglagen bis 45% Hangneigung, die im so genannten Direktzug maschinell bearbeitet werden können, ermöglichen eine rationelle Flächenbewirtschaftung und sichern die Wettbewerbsfähigkeit der Trauben erzeugenden Betriebe.
Aufgrund der starken internationalen Konkurrenz steht die Weinbranche insgesamt unter Preis- und Kostendruck. Deshalb wird es weiterhin erforderlich sein, Maßnahmen der Rationalisierung und der Verringerung des Arbeitsaufwands sowohl in Steillagen, aber auch in Flachlagen umzusetzen. Ohne flurbereinigte Lagen wären viele Weinbaubetriebe im Land heute nicht mehr wettbewerbsfähig.
Dies gilt auch für Rebflurneuordnungen, die zur Erhaltung der Steillagen durchgeführt werden. Bessere Erschließung sowie Unterstützung bei der Sanierung von Weinbergsmauern helfen den Weinbauern, die Flächen weiterhin bewirtschaften zu können.
3. Maßnahmen zum Erhalt des Steillagenweinbau
Zum Erhalt der Steillagenbewirtschaftung werden derzeit folgende Förderprogramme des Landes angeboten:
– Im Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich (MEKA) wird die Erhaltung abgegrenzter Weinbausteillagen im Rahmen eines jährlichen Bewirtschaftungszuschusses mit 350 EUR je Hektar gefördert. Die Weinbausteillagen-Kulisse (Mauerterrassen, schwer zugängliche Handarbeitslagen) umfasst landesweit rund 1.200 ha, davon 400 ha in Baden und 800 ha in Württemberg.
– Für Steillagen erfolgt außerdem die Förderung von Einschienen-Zahnradbahnen zur Erschließung von Mauersteillagen und Handarbeitslagen im Umfang von 60% der förderfähigen Kosten.
– Die Förderung von Flach- und Steillagen im Rahmen des EU-Förderprogramms zur Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen wird seit dem Jahr 2007 hangneigungsabhängig gewährt, und zwar
. 7.000 EUR für Flachlagen
. 12.000 EUR für Lagen über 30 % Hangneigung
. 16.000 EUR für Lagen über 45% Hangneigung
. 23.000 EUR für Mauersteillagen und Handarbeitslagen.
Eine mittelbare Förderung der Terrassenweinberge erfolgt außerdem durch den für das bestimmte Anbaugebiet Württemberg festgesetzten Hektarhöchstbetrag von 150 Hektoliter je Hektar (der Wert für Flachlagen beträgt 110 Hektoliter je Hektar). Seit 2007 besteht die Möglichkeit, Vermarktungskontingente aus Flach- und Steillagen innerbetrieblich zu verrechnen. Daraus resultieren für Betriebe, die Steillagen bewirtschaften, höhere Vermarktungskontingente.
Diese Maßnahmen haben in Verbindung mit der Unterstützung des Steillagenweinbaus in den unterschiedlichsten Fachthemen durch die Weinbauberatung und durch die Weinbauanstalten (Technik, Rebsortenwahl, Arbeitswirtschaft, Pflanzenschutz usw.) mit dazu beigetragen, dass eine weitgehend flächendeckende Bewirtschaftung der Steillagen erfolgt. Sie sollen deshalb weiterhin erhalten und entsprechend fortgeschrieben werden.
Der Erhalt des Steillagenweinbaus ist allerdings nach wie vor dem großen Engagement der Weinbaubetriebe, Genossenschaften und Weingüter und dem Markterfolg des baden-württembergischen Weines zu verdanken. Neben der Fortschreibung von Fördermaßnahmen, der Beratung und Forschung ist es aus Sicht des MLR erforderlich, kontinuierlich die Vermarktungsstrategien für den Steillagenweinbau auch im Kontext weintouristischer Aktivitäten weiter zu entwickeln oder auch die Technisierung und Verringerung des Arbeitseinsatzes in Steillagen weiter intensiv zu bearbeiten.
4. Erhalt der Rebenaufbaupläne
Sollte der Anbaustopp mittelfristig definitiv aufgehoben werden, werden die Rebenaufbaupläne als Rechtsrahmen für den Anbau von Reben ihre Gültigkeit verlieren. Die Abgrenzung des Anbaugebietes, der Bereiche und Lagen, die ebenfalls auf den Rebenaufbauplänen aufgebaut sind, ist aber auch Basis für die bezeichnungsrechtliche Nutzung von Herkunftsbegriffen.
Mit der im Rahmen der Reform der Weinmarktorganisation beschlossenen Stärkung des Herkunftsprinzips können laut MLR die bestehenden Gebiets- und Lagenbezeichnungen mittelfristig als geschützte Ursprungsbezeichnung beziehungsweise geschützte geografische Angabe noch besser herausgestellt werden. Basis hierfür sind die bisherigen Lagenbegriffe sowie die entsprechenden räumlichen Abgrenzungen der Rebenaufbaupläne.
5. Neuanlage von Rebflächen in Schutzgebieten
Grundsätzlich ist die Neuanlage von Rebflächen in Landschaftsschutzgebieten eine erlaubnispflichtige Nutzungsänderung. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn der Schutzzweck nicht beeinträchtigt wird. Sofern der Anbaustopp also tatsächlich aufgehoben werden sollte, kann in Landschaftsschutzgebieten, im Gegensatz zu Naturschutzgebieten, eine Neuanlage von Rebflächen nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
In Natura 2000-Gebieten müsste in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Neuanlage von Rebflächen mit Veränderungen oder Störungen verbunden wäre, die zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebietes in seinen jeweiligen, für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen könnte. Hier greifen die Vorschriften der §§ 37 ff NatSchG.
6. Resumée
Insgesamt müssen für den Steillagenweinbau weiterhin alle Möglichkeiten genutzt und alle gesellschaftlichen Kräfte mobilisiert werden, um für die Zukunft die Bewirtschaftung sicher zu stellen.
Auch die Weinbauverbände, die Weingärtnergenossenschaften, die Kommunen sowie verschiedene Projekte, z.B. das am Institut für Landespflege der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bearbeitete Projekte „Historischer Weinberg“, bearbeiten die Steillagen-Thematik und entwickeln entsprechende Strategien.
Deshalb beabsichtigt das MLR, in der zweiten Jahreshälfte 2009 ein „Gesprächsforum Steillagenweinbau“ durchzuführen, zu dem auch der LNV eingeladen wird, und im Rahmen der internationalen Messe Intervitis/Interfructa Ende März 2010 in Stuttgart einen Steillagenkongress zu organisieren.
Das vollständige LNV-Info finden Sie hier: