LNV-Stellungnahme an das Bundesinnenministerium
Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) sollen die Einschränkungen der Rechte anerkannter Umweltverbände, wie sie mit den Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz 1991 zunächst zeitlich und regional begrenzt auf die ostdeutschen Bundesländer eingeführt wurden, für alle Planfeststellungsverfahren auf Bundes- und Länderebene zum Standard gemacht werden. Dies läuft den politischen Zusagen von besserer Öffentlichkeitsbeteiligung zuwider.
Der LNV lehnt entsprechend die massive Beschneidung von Anhörungsrechten, wie sie im vorliegenden Gesetzentwurf zur Übernahme in das Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehen ist, ab.
Einzig die Passus zur Einführung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, zur Rechtsbehelfsbelehrung, zur Beibehaltung der zwingenden Erörterung und zur Zusendung
auch von Plangenehmigungsbeschlüssen sind zu begrüßen.
Der LNV BW möchte auch seine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass das BMI für eine Gesetzesänderung eine Anhörungsfrist von lediglich drei Wochen gewährt. Dies ist in Baden-Württemberg völlig unüblich, wo für Gesetzesänderungen mindestens 6 Wochen Zeit belassen werden. Wir bitten um grundsätzliche Verlängerung der Anhörungsfristen zu Gesetzen und Bundesverordnungen, auch mit
Rücksicht auf die meist ehrenamtlich tätigen Naturschutzverbandsvertreter/innen.
Grundsätzliches:
Die harmlos klingende „verfahrensrechtliche Gleichstellung der durch staatliche Anerkennung mit Rechtsbehelfsbefugnis ausgestatteten Vereinigungen (Umweltschutzvereinigungen) mit den Betroffenen“, wie sie im vorgelegten Gesetzentwurf vorgesehen ist, zielt tatsächlich auf einen Ausschluss von anerkannten Umweltverbänden von Anhörungsverfahren wie Planfeststellungen und einer faktischen Unterbindung der Klagemöglichkeiten. Denn zum einen erfahren die anerkannten Umweltverbände von Anhörungsverfahren nicht mehr, weil diese nur noch ortüblich von Gemeinden bekannt gegeben werden
müssen und auch nur ortsüblich offen gelegt werden, anstelle der bisherigen direkten schriftlichen Benachrichtigung unter Anfügung der Planunterlagen. Zum anderen wird für sie die materielle Präklusion eingeführt, wonach eine mögliche Klage nur noch auf solchen Argumenten aufbauen kann, die zuvor im Anhörungsverfahren
fristgerecht vorgebracht wurden.
Das Anliegen des Bundesgesetzgebers und des BMI ist mit den in § 63 BNatSchG verankerten Anhörungsrechten der anerkannten Naturschutzverbände nicht vereinbar und auch nicht mit den in § 64 BNatSchG verankerten Klagerechten. Demgegenüber sollen künftig nebst Abwägungs- auch Verfahrens- und Formfehler von Behörden unschädlich sein, so dass dies nicht zur Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses führt. Der „Spatenstich“ als Umsetzungsbeginn einer Planung soll für alle Planfeststellungen und ersetzenden Plangenehmigungen eingeführt werden.
Diese fragwürdige Gepflogenheit war bislang nur bei Straßenbauverfahren üblich, um das Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses nach 5 Jahren bzw. zwischenzeitlich
10 Jahren zu verhindern, weil kein Geld für den Bau der Straße vorhanden war. Beides lehnt der LNV ab.
Die wichtigsten LNV-Anträge zum Gesetzentwurf zusammengefasst:
Der LNV beantragt daher:
1. die anerkannten Naturschutzverbände wie Träger öffentlicher Belange anzuhören, also durch Zustellung der Benachrichtigung über die Anhörung samt Planunterlagen bzw. durch Verweis auf die Internetfundstelle, und dies zur Vereinheitlichung der Verfahren auch in die sechs Bundesverkehrswegegesetze1 aufzunehmen,
2. auf die materielle Präklusion bei den anerkannten Naturschutzverbänden für die Abgabe von Stellungnahmen und bei den Klageverfahren zu verzichten, weil diese Art der Verfahrensbeschleunigung lediglich durch Verhinderung qualitativer
Verbesserungen zustande kommt, indem Hinweise der anerkannten Naturschutzverbände ignoriert werden. Dies stellt keinesfalls einen Gewinn für eine nachhaltige Entwicklung dar, wie in der Gesetzesbegründung behauptet wird. Die Präklusion sollte daher auch in den sechs Bundesverkehrswegegesetzen entfallen,
3. die generelle Zugänglichkeit von Anhörungsunterlagen im Internet einzuführen, zusätzlich zu ihrer Offenlage in Gemeinden oder Behörden,
4. auf eine Plangenehmigung anstelle eines Planfeststellungsverfahrens zu verzichten, wenn Rechte anderer „nur unwesentlich“ betroffen sind, da die Behörde unwesentliche
Betroffenheit kaum beurteilen kann. Die Betroffenheit von Natur und
Umweltgütern erkennt sie oftmals eben nicht.
5. auf die Erweiterung der Heilungsmöglichkeiten zu verzichten, weil dies nicht zum sorgfältigen Arbeiten der Behörden beiträgt,
6. darauf zu verzichten, die mehr als fragwürdige Gepflogenheit des „Spatenstichs“ mit anschließender unbestimmter Unterbrechung des Straßenbauvorhabens als „Baubeginn“ allgemein in das VwVfG einzuführen, damit der Planfeststellungsbeschluss nicht verfällt. Der LNV beantragt daher, genau diese Art des Baubeginns im VwVfG explizit auszuschließen,
7. die Gültigkeit von Planfeststellungsbeschlüssen grundsätzlich auf 5 Jahre zu begrenzen und dies auch in den sechs Bundesverkehrswegegesetzen zu verankern.
Die dort verankerte 10 jährige Geltungsdauer ist nicht tragbar, weil derart alte Planungen weder rechtlich noch technisch den Anforderungen der Zeit entsprechen.
Folgen für die nachhaltige Entwicklung
Das BMI stellt das Gesetzänderungsvorhaben als Unterstützung für die Ziele der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie dar, weil die generelle Planbeschleunigung angeblich dafür sorgt, dass erforderliche raumwirksame Vorhaben zügig und sicher umgesetzt
werden. Genau das Gegenteil ist richtig: Die geplante Gesetzesänderung wird zum massiven Schaden an Natur und Umwelt führen, zu überzogen großen und unnötig viel Fläche beanspruchenden Bauvorhaben, die mehr Unterhaltungskosten als 11 Bundeseisenbahngesetz, Bundesfernstraßengesetz, Bundeswasserstraßengesetz, Luftverkehrsgesetz,
Magnetschwebebahnplanungsgesetz, Energiewirtschaftsgesetz
notwendig verschlingen und damit eben nicht nachhaltig sind. Dies, weil die anerkannten Naturschutzverbände als Anwälte der Natur faktisch ausgeschaltet werden.
Die vollständige LNV-Stellungnahme: