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Carbon Capture and Storage (CCS) – LNV-Position

LNV-Info 04/2025
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Einführung
Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts soll in Europa und damit auch in Deutschland Klimaneutralität erreicht werden. Bis dahin soll u.a. kein Kohlendioxid (CO2) mehr emittiert werden. Im Energiesektor ist die Technik dafür verfügbar und muss aus LNV-Sicht konsequent eingesetzt werden, fossile Energieträger müssen der Vergangenheit angehören. Es gibt jedoch einige industrielle Prozesse, bei denen CO2 nicht nur durch Verbrennung entsteht, sondern durch chemische Umsetzung. Der wichtigste davon ist die Herstellung von Zement. Sie setzt weltweit gut vier Milliarden Tonnen CO2 im Jahr frei, rund 8 % der globalen Treibhausgasemissionen. Die hierfür aufgewandte Prozessenergie kann und muss aus LNV-Sicht auf regenerativ erzeugten Strom umgestellt werden. Rund 60 % der Emission sind allerdings unvermeidbar, da das CO2 aus dem Kalk stammt.

Betonrecycling hilft nur bedingt, weil nicht der Zement, sondern andere Betonbestandteile ersetzt werden. Durch Suffizienz ließe sich einiges an Zement einsparen: verstärkter Einsatz von Holz, Gebäudesanierung statt Neubau und ein e Reduktion der baulichen Ansprüche sind hier Stichworte. Bestimmte Bauwerke wie Keller und Brücken können allerdings kaum ohne Beton errichtet werden. Zudem ist mit weltweit zunehmendem Wohlstand eher eine starke Zunahme des Zementeinsatzes zu erwarten als ein Rückgang. Ungesteuert könnte das zu mehr als einer Verdoppelung des Treibhausgasausstoßes führen.

Die Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre bei der Zementproduktion lässt sich nur vermeiden, wenn das Gas abgeschieden wird. Ähnliches gilt für die Müllverbrennung und die Herstellung von Branntkalk. Die Abscheidung ist technisch sehr aufwändig, energieintensiv und teuer.

CCU und CCS
Für den Umgang mit dem abgeschiedenen CO2 gibt es zwei Konzepte: »Carbon Capture and Storage« (CCS) und »Carbon Capture and Utilization« (CCU). Das abgeschiedene CO2 kann entweder zu neuen Produkten verarbeitet werden (CCU) oder es wird in aufnahmefähigen Gesteinsschichten im Untergrund verpresst und dauerhaft gebunden (CCS).

Vielfach wird vorgeschlagen, aus dem abgeschiedenen CO2 Kohlenwasserstoffe zu produzieren (CCU), die als Treibstoff verwendet werden können (E-Fuels). Weil Kohlendioxid ein sehr stabiles Molekül ist, erfordert dies allerdings einen Energieaufwand, der noch wesentlich höher ist als beim Abscheidungsprozess. Daraus Kohlenstoff und Folgeprodukte zu gewinnen, ist also wenig sinnvoll. Solche Treibstoffe wären extrem ineffizient und teuer, zudem würde der Kohlenstoff nach der Passage eines Verbrennungsmotors dann doch in die Luft freigesetzt. Denn eine abermalige Abscheidung des CO2 ist bei so kleinen Anlagen wie einem Automotor (oder einer Heizung) nicht darstellbar. Ob andere Produkte (z.B. Kunststoffe) aus dem abgeschiedenen CO2 erzeugt werden, soll und wird der Markt entscheiden. Wahrscheinlich wird es günstiger sein, solche Stoffe aus biogenem nachwachsendem Materialien zu erzeugen.

In der EU gibt es somit absehbar keinen Markt für Kohlenstoff aus Carbon Capture and Utilization (CCU).

Ein wesentlich realistischeres Verfahren ist CCS. Die Technik, CO2 in tiefe Gesteinsschichten zu verpressen, wird längst praktiziert – bisher ohne wesentlich Lecks oder Unfälle. Bei der Gewinnung von Erdgas in der Nordsee in Norwegen wird das enthaltene CO2 abgetrennt und anschließend wieder in die vormaligen, jetzt entleerten, Lagerstätten verpresst (anstatt es, wie andernorts, in die Atmosphäre zu entlassen). Eine Testanlage wurde in Ketzin (Mecklenburg-Vorpommern) betrieben und hat für die dortigen, spezifischen Rahmenbedingungen das Funktionieren nachgewiesen. Geregelt ist der Einsatz der Technik im Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (Kohlenstoffdioxid-Speichergesetz – KSpG), das wegen Bürgerprotesten bisher sehr restriktiv ist. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist vorgesehen, das Gesetz zu novellieren und Auflagen zu lockern.

Ist die Verpressung verantwortbar?
Im Prinzip kann CO2, das verpresst wird, auch wieder austreten. Dann wäre der ganze Energie- und Kostenaufwand umsonst. In extremen Fällen (punktueller konzentrierter Austritt im besiedelten Gebiet) könnten auch Unfälle auftreten. Wie wahrscheinlich ist das?

Norwegen betreibt seit 1996 die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid (CO₂) unter dem Meeresboden, also unter hohem Druck in flüssigem Aggregatzustand, insbesondere im Sleipner-Gasfeld in der Nordsee. Bislang sind keine Unfälle oder signifikanten Leckagen bei diesen CO₂-Speicherprojekten bekannt geworden. Die Technologie gilt als sicher, und potenzielle Risiken werden als beherrschbar eingeschätzt.

Im günstigsten Fall reagiert das Gas mit dem Gestein („Mineralisierung“) und ist fest gebunden. Aber auch die Speicherung als verflüssigtes Gas in porösem Gestein funktioniert. Entscheidend für die Sicherheit sind anhaltend hoher Druck und der Verschluss des Lagers nach Füllung.

Grundsätzlich kommen für CCS deshalb nur tiefliegende (>800 m) Salzwasser-Aquifere und tektonische (Erdöl- und Erdgas-) „Fallenstrukturen“ in Betracht (optimal beides zusammen). Bisher wird CCS vor allem für die Nordsee diskutiert. Über Pipelines soll eine Transport-Infrastruktur aufgebaut werden.

Feldstudien haben gezeigt, dass selbst bei potenziellen Leckagen die Auswirkungen auf die Meeresökosysteme in der Nordsee gering sind. Dies liegt unter anderem an den hohen CO₂-Konzentrationen im Nordseewasser und den schnellen Wasseraustauschprozessen. Die Speicherung von CO₂ unter dem Meeresboden wird daher auch aus meeresökologischer Sicht als vertretbare Methode angesehen.

Helmholtz-Studie zur CO2-Speicherung unter der Nordsee

Dem Restrisiko bei CCS sind die nachgewiesenen Schäden durch die Emission von CO2 in die Atmosphäre gegenüberzustellen. Dass dessen Folgen überwiegend die Bewohner anderer Breitengrade und Regionen treffen, kann für den LNV kein Argument sein.

Nach Abwägung von Pro und Contra sieht der LNV in CCS Chancen für den Klimaschutz, die genutzt werden sollten.

Besteht die Gefahr einer Refossilisierung der Energieversorgung?
Wenn eine Infrastruktur mit Pipelines und Verpressungsanlagen zur Entsorgung von CO2 entsteht, könnte das eine Rehabilitierung von fossilen Verbrennungsprozesse (Kohlekraftwerke) befördern. Die neue große Koalition in Berlin will CCS ausdrücklich auch für fossile Brennstoffe (Erdgas) und schwer decarbonisierbare Industrieprozesse ermöglichen. Das bestärkt die Bedenken hinsichtlich einer Refossilisierung.

Andererseits ist CCS ist sehr kostenintensiv und wird beispielsweise Zement signifikant verteuern. Fossile Energieträger zu verfeuern und Kohlendioxid abzuscheiden wird absehbar deutlich teurer bleiben als die Energie regenerativ zu erzeugen.

Außerdem ist CCS nur großtechnisch vorstellbar. Die Gefahr, dass Autos mit fossilen Treibstoffen und Kohlendioxidabscheidung fahren und fossile Öl- oder Gasheizungen mit CO2-Abscheidung betrieben werden, besteht aus LNV-Sicht nach heutigem Stand nicht.

Wofür soll CCS eingesetzt werden?
Die nachfolgend aufgeführten Prozesse sind auch in einer Nicht-fossilen Welt mit CO2-Emissionen verbunden:

• Zementproduktion und Herstellung von Branntkalk
• Müllverbrennung
• großtechnische Verbrennung biogener Reststoffe (z.B. Holz, Biogas aus organischen Reststoffen)

Nur hierfür sollte nach LNV-Auffassung CCS genutzt werden. Im Fall der biogenen Reststoffe findet zuvor sogar eine Netto-Entlastung der Atmosphäre statt, da die Pflanzen das CO2 vorher der Luft entzogen haben.

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung sind allerdings auch genannt:

• Gaskraftwerke
• Schwer zu decarbonisierende industrielle Verfahren
• Stahlindustrie

Diese Optionen lehnt der LNV explizit ab.

Wird CCS ökonomisch funktionieren?
Mit Kohlendioxid-Abscheidung erzeugter Zement ist preislich nicht konkurrenzfähig gegenüber konventionellem Zement. Er hat nur Chancen auf Märkten, die gegen konventionellen Zement abgeschottet sind. Dies ist in Europa vorgesehen über eine Abschöpfung des Preisvorteils von importiertem Zement (Carbon border adjustment mechanism). Ein Export auf Märkte, auf denen die Abscheidung bei Zement nicht vorgeschrieben ist, wird nicht stattfinden.

Ob CCS-Zement ökonomisch erfolgreich sein wird, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass die EU-Kommission und die Zementindustrie selbst daran glauben.

Was passiert in Baden-Württemberg, wenn Pipeline-Systeme nicht rechtzeitig kommen?
Baden-Württemberg liegt weit entfernt von den künftigen CO2-Speichern unter der Nordsee. Es wird lange dauern, bis bei uns CO2-Pipelines liegen. Die Zementindustrie möchte (muss?) vorher klimaneutral werden. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, näher gelegene Verpressungspotenziale zu nutzen. In BW kämen hierfür das Molassebecken und der Oberrheingraben in Frage. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist hierfür eine Länderöffnungsklausel vorsehen.

Auf der Homepage der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) finden sich unter „Nutzung tieferer Untergrund“ Hinweise und weitere Informationen zu Speicherstrukturen. Die BGR führt auch einen sogenannten „Speicherkataster“. Über die Eignung und Sicherheit kann auf der Basis des bisherigen Wissens aber noch nichts Verlässliches gesagt werden.

Sollte die Landregierung Baden-Württemberg die Realisierung eines CO2-Speichers im tieferen Untergrund nach Landesrecht unterstützen oder anstreben, würde der LNV dies kritisch prüfen und beurteilen. Wenn die entscheidenden Sicherheitsfaktoren (s.o. hoher Druck und Verschluss) gegeben sind, würde der LNV eine solche CO2-Speicherung aber nicht grundsätzlich ablehnen.

Direct Air Capture (DAC) anstatt Carbon Capture and Storage?
Im Prinzip könnte man auch das in der Atmosphäre enthaltene CO2 abtrennen. Dann könnte die Abscheidung in der Nähe der Verpressungsfelder liegen und der Transport entfiele. Da das Gas in der Luft aber nur in einer sehr geringen Konzentration vorliegt (0,04%), ist die Abscheidung aus dem Kamin von Verbrennungsanlagen deutlich sinnvoller und effizienter (10-30 %). DAC ist auch nur vorstellbar bei sehr geringen Kosten für regenerativen Strom. Diese gibt es in Wüstenstandorten, aber nicht in Mitteleuropa.

Stuttgart 12.05.2025
gez. Dr. Gerhard Bronner, Vorsitzender
vom LNV-Vorstand beschlossen

P.S. Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge ist die LNV-Geschäftsstelle stets dankbar.

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