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Windenergie im Wald

LNV-Info 3/2024
LNV-Position

Hier ist das vollständige LNV-Info (pdf)

Bisherige Entwicklung
Im Zuge des Ausbaus der Windenergie seit den 90er-Jahren hat sich der Schwerpunkt der Standorte vom Offenland in den Wald verlagert. Der LNV hat diesen Prozess genauer analysiert. Die vorliegende Analyse basiert auf Daten der Forstlichen Versuchsanstalt und des Umweltinformationssystems der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (UDO). Insgesamt wurden von 1994 bis 2023 773 Windenergieanlagen gebaut. Davon stehen 343 im Wald (44 %), 430 im Freiland (56 %). Betrachtet man nur die Anlagen, die in den letzten zehn Jahren gebaut wurden (2014-2023), so stehen im Wald: 298 (74 %) und im Freiland 105 (26 %).

Wer ist für die Planung zuständig?
Nach einer Stagnation des Windenergieausbaus 2008 bis 2012 sollte durch den Windenergieerlass im Jahr 2012 eine Beschleunigung des Ausbaus erreicht werden. Die Planungszuständigkeit wurde den Regionalverbänden entzogen, weil man sie der Verhinderungsplanung verdächtigte. Stattdessen sollte nun jede einzelne Gemeinde entscheiden, wo Windenergieanlagen entstehen sollten. Dies führte zu einem Flickenteppich von Windenergieplanungen, je nachdem, ob die Gemeinde eher pro oder contra Windenergie eingestellt war. Planungsqualität ging verloren, es wurde nicht mehr aus übergeordneter Perspektive entschieden, wo die besten Standorte (im Sinne einer Abwägung aller Belange) waren. Der Fehler ist mittlerweile erkannt, die Zuständigkeit wurde wieder den Regionalverbänden übertragen.

Regionalverbände weisen Vorrangflächen aus
Seit März 2022 will das Land zusammen mit den 12 Regionalverbänden notwendige Flächen für die Versorgung mit erneuerbaren Energien sichern.
Insgesamt sollen mindestens 2 Prozent der Landesfläche für regionalbedeutsame Freiflächen-Photovoltaikanlagen und für Windenergieanlagen planungsrechtlich gesichert werden, davon nach Vorgaben des Bundes 1,8 Prozent für die Windenergie. Bis Ende 2025 sollen die Regionalverbände entsprechende Satzungen beschließen, die Umsetzung soll ab 2026 erfolgen.

Ausweisung von Windenergieanlagen im Wald
Bei diesen Planungen steht die Ausweisung von Windenergieanlagen im Wald im Vordergrund. Die Umsetzung an planungsrechtlich gesicherten Standorten kann unter vereinfachten Auflagen erfolgen. Es ist aber auch außerhalb der Planungen der Regionalverbände weiterhin möglich, Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen auf anderen Standorten zu beantragen, allerdings mit erhöhten Prüfanforderungen (Natur- und Umweltbelange).

Pro und Contra Waldstandorte
Waldstandorte sind tendenziell weiter von Siedlungen entfernt und rufen weniger Widerstand hervor. Die Eigentumsstruktur ist einfacher. Eine Rolle bei der bisherigen Entwicklung hat auch gespielt, dass der Milan sich aus rechtlichen Gründen zu einem wesentlichen Hemmnis für die Windenergieplanung entwickelt hat (streng geschützte, windenergiesensible Art). Er jagt im Freiland. Es spricht allerdings manches dafür, dass der Konflikt zwischen Milan und Windenergie deutlich überschätzt wurde: Wesentliche windenergiebedingte Populationsrückgänge sind nirgends bekannt. Deshalb wurden auch gewisse Lockerungen bei den Planungsvorgaben vorgenommen, die Kriterien für Dichtezentren wurden geändert.

Ökologische Nachteile von Waldstandorten
Dem stehen aber ökologische Nachteile von Waldstandorten gegenüber. Die Eingriffe in Lebensräume sind tendenziell größer, schon weil zunächst für die Aufstellung einer Anlage 0,5-1 ha Wald gerodet werden müssen. Die Standorte liegen häufig in topographisch schwierigem Gelände (Bergkuppen), sodass teilweise massive Eingriffe für die Erschließung erfolgen müssen. Bei Freilandanlagen dagegen stellt man die Anlage im besten Fall direkt neben einen vorhandenen Feldweg.
Eine Studie des Umwelt- und Prognose-Instituts Heidelberg (UPI) thematisiert diese Entwicklung hin zu Waldstandorten, stellt die Nachteile der Anlagen im Wald dar und belegt, dass die Ziele der Energiewende auch bei einem Verzicht auf Waldstandorte machbar wären. Auch wenn sich der LNV nicht mit allen Aussagen der Studie identifizieren kann – z.B. ist es wegen der Sektorkopplung kaum realistisch, den Windenergieausbau durch Energiesparen wesentlich verringern zu können – ist die Grundbotschaft bedenkenswert.
Dort wird auch belegt, dass die Dominanz von Waldstandorten ein Landesspezifikum von Baden-Württemberg ist. In anderen Bundesländern, die überwiegend beim Windenergieausbau weiter sind, gibt es diese Entwicklung nicht, teilweise wird vollständig auf Waldstandorte verzichtet.

Eingriffe in Natur müssen gering sein
Der LNV ist der Meinung, Windenergieanlagen sollten innerhalb der möglichen Gebiete dort entstehen, wo die Eingriffe in Naturhaushalt und Landschaftsbild am geringsten sind. Deshalb sieht er die Dominanz der Anlagen im Wald kritisch, ohne Waldstandorte grundsätzlich auszuschließen.
Wo in standortfremden Nadelwäldern ohne große zusätzliche Erschließung gebaut werden kann, kann aus LNV-Sicht die Windenergie ausgebaut werden. Ein Beispiel ist der Windpark Falkenberg zwischen Lauterstein-Degenfeld und Böhmenkirch / Bartholomä.
Wo dagegen in standortgerechte Wälder eingegriffen wird wie im Schurwald, ist das kritisch zu sehen.

Sind Windenergieanlagen im Wald in Baden-Württemberg für die Energiewende notwendig?
Der LNV hat die von der LUBW als möglich eingestuften Windenergiestandorte mit den Waldflächen verschnitten. Die Qualität der Wälder (Fichtenreinbestand / Buchenwald / Mischwald) konnte dabei nicht berücksichtigt werden, da hierfür keine Geodaten verfügbar waren. In der Tabelle (siehe Info-pdf-Datei) ist dargestellt, welche Flächenanteile des Landes nach der Anwendung verschiedener Selektionskriterien für den Windenergieausbau noch übrigbleiben. Nach den Daten der LUBW sind 11,75 % der Landesfläche Windenergie-geeignet, wenn man den Artenschutz außer Betracht lässt. Berücksichtigt sind dabei Windhöffigkeit, Abstände zu Siedlungen, strenge Schutzgebiete, Tiefflugzonen usw. Bei Schonung der Auerhuhn-höffigen Flächen fallen nur 0,2 % der Landesfläche zusätzlich weg.

Fachbeitrag „Artenschutz“ für die Regionalplanung
Im Fachbeitrag „Artenschutz“ für die Regionalplanung wurde das Land in 5 Zonen eingeteilt. Neben Flächen ohne Artenschutzrelevanz gibt es die Zonen A, B, C, D mit absteigender Artenschutzrelevanz. Eine fachlich basierte und umweltschonende Planung sollte auf die Zonen A und B verzichten.
Dadurch fallen etwa 25 % der Potenzialflächen weg bzw. 3 % der Landesfläche. Es verbleiben 8,44 % der Landesfläche – benötigt für die Ausbauziele des Landes werden aber nur 1,8 %. Dargestellt sind in der Tabelle (siehe pdf-Datei) auch die Fälle, dass ganz auf Waldstandorte verzichtet wird (was in BW niemand möchte) und dass nur die Hälfte der Waldstandorte in die Auswahl einbezogen wird, um wertvolle Laub- und Mischwälder zu schützen und extrem aufwändige Erschließungen zu vermeiden (neue Zufahrten in Steilhängen).

Bei Verzicht auf Waldstandorte 1,8% Flächen-Ziel schwer erreichbar
Es zeigt sich, dass auch bei einem völligen Verzicht auf Waldstandorte (was wir nicht befürworten) deutlich mehr als das Flächenzieles von 1,8 % der Landesfläche verfügbar bleibt. Allerdings würde es deutliche regionale Verschiebungen geben. Das Ziel, die Windenergie im Land gleichmäßig auszubauen, wäre nicht zu halten. Das war aber auch nie sinnvoll, sind die Windhöffigkeiten und die Restriktionen doch sehr ungleichmäßig verteilt. Verzichtet man auf die Hälfte der Waldstandorte, bleibt mit 5,7 % der Landesfläche das Dreifache des Benötigten übrig.

Keine Windräder in Oberschwaben und Schwarzwald?
Würde man ganz auf Waldstandorte verzichten, so würden Oberschwaben und der Schwarzwald weitgehend wegfallen, der Schwerpunkt des Ausbaus würde auf der Schwäbischen Alb, Franken, den Gäuplatten und dem Kraichgau liegen. Da es immer auch unerwartete Hemmnisse für die Belegung von Potenzialflächen geben kann, wäre das Flächenziel von 1,8 % der Landesfläche bei vollständigem Verzicht auf Waldstandorte nur schwer erreichbar. Auf die kritischere Hälfte der Waldstandorte könnte aber verzichtet werden, wenn man die Fiktion einer gleichmäßigen Verteilung im Land aufgäbe.

LNV-Forderungen
Für den LNV hat die ökologisch-fachliche Auswahl der Windenergiestandorte Vorrang vor der Gleichverteilung über das Land. Flächen mit großen Artenschutzkonflikten scheiden für den LNV von vorneherein aus, also:

  • – auerhuhnrelevante Flächen
  • – Flächen mit Artenschutzrelevanz der Klassen A und B

Der LNV spricht sich darüber hinaus dafür aus, auf Windenergiestandorte zu verzichten

  • – in standortgerechten Laub- und Mischwäldern
  • – in Steillagen mit erheblichen Eingriffen für die Erschließung
  • – in Gebieten mit hochwertigem Landschaftsbild (Klassen 6 bis 10 nach Bewertungssystem Uni Stuttgart)

Und außerdem schließt die Ausweisung eines Wind-Vorranggebietes durch die Regionalverbände nicht aus, dass auch an anderen Stellen über Bebauungspläne Windparks projektiert werden. Dort sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass kritische Waldstandorte außen vor bleiben.

Ist es für wesentliche Änderungen nicht längst zu spät?
Die Regionalverbände arbeiten mit Hochdruck an der Aufstellung von Teilregionalplänen Windenergie. Einige Entwürfe sind gerade in der Anhörung.
Die Umweltverbände sind teilweise noch mit der Erstellung von Stellungnahmen beschäftigt. Manche Regionalverbände haben in Erwartung von planerisch noch unbekannten Hemmnissen deutlich mehr als 1,8 % der Fläche für Windparks vorgesehen. Da ist also noch Spielraum drin. Schwierig wird es sicher in Regionalverbänden, in denen es fast nur Waldstandorte gibt, beispielsweise im südlichen Oberrhein.
ForstBW-Vorschläge werden nicht überprüft
Außerdem übernehmen die Regionalverbände ungeprüft Flächen, die ForstBW bereits als Windparks ausgeschrieben hat. Manche davon sind noch gar nicht auf Artenschutzkonflikte geprüft und werden im Verfahren möglicherweise ausscheiden, so dass die Regionalverbände gut beraten sind, mehr als die 1,8 % Fläche vorzusehen.

Hier ist das vollständige LNV-Info (pdf)

Vom LNV-Vorstand beschlossen am 16. Juli 2024

gez. Dr. Gerhard Bronner

Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge ist die LNV-Geschäftsstelle stets dankbar.