LNV-Stellungnahme zur Novellierung der Bundesimmissionsschutz-Zuständigkeitsverordnung
an das Umweltministerium
I. Vorbemerkung
Die Zuständigkeitsverordnung ist für die Umsetzung des Immssionsschutzrechtes mit seiner zentralen Funktion für den Umweltschutz von großer Bedeutung. Nur durch reibungslose Zusammenarbeit der beteiligten Stellen sind die Ziele des Umweltschutzes gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu realisieren. Naturwissenschaftlich-technische Arbeitsweisen und sachgerechtes Verwaltungshandeln müssen dabei eng ineinander greifen. Auf keinen Fall darf die Bearbeitung von Angelegenheiten des Immissionsschutzes durch den Zwang, Zuständigkeiten stets aufs Neue prüfen oder verteidigen zu müssen oder durch das Erfordernis, Fachwissen überhaupt erst zu erlangen, in unnötiger Weise erschwert oder verschleppt werden. Korrektes, sachlich und fachlich einwandfreies Verwaltungshandeln setzt jedoch voraus, dass insbesondere die erforderlichen personellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Die bloße Aufgaben-Übertragung bedeutet noch keinen Übergang fachlicher Kompetenz. Diese kann nur durch langfristige Maßnahmen der Personalwirtschaft, also durch Personalgewinnung und qualifizierende Personalentwicklung gewonnen werden. Für die Unteren Verwaltungsbehörden, die in besonderem Maße den Sparzwängen klammer kommunaler Haushalte unterliegen und seit jeher überlastet sind, bedeutet dies ein schweres Handikap, zumal dort i.d.R. auch der geringste fachtechnische Sachverstand vorgehalten wird und es sich in dieser Hinsicht um das schwächste Glied in der Kette handelt (vergleichbar mit dem „Hausarztmodell“ der Gesundheitspolitik).
Vor diesem Hintergrund muss die – durchaus nicht unvernünftige – Generallinie, den unteren Verwaltungsbehörden vermehrt Aufgaben zuzuweisen bzw. deren Kompetenzen zu erweitern, skeptisch beurteilt werden, zumal der Verdacht nicht ausgeräumt ist, dass Land wolle sich damit lediglich der Verantwortung für unbeliebte Bereiche der Daseinsvorsorge entziehen. Diese Entwicklung wurde jedoch bereits mit dem Verwaltungs-Struktur-Reformgesetz in Baden-Württemberg mit seinen diversen „Kommunalisierungsmaßnahmen“ auf Dauer zementiert. Die Neufassung der Zuständigkeitsverordnung setzt somit lediglich eine eingeleitete Entwicklung in die Verwaltungsrealität um, was der LNV im Interesse der Arbeitsabläufe in den betroffenen Stellen natürlich befürworten muss.
Auch wird in der Begründung zutreffend auf geänderte oder erweiterte Rechtsgrundlagen hingewiesen, die eine Aktualisierung bzw. Bereinigung der geltenden Zuständigkeitsverordnung erforderlich machen. Der LNV kann sich im Interesse der Aufgabenerledigung dieser Auffassung durchaus anschließen, doch wird es für erforderlich gehalten aus Anlass – nicht wegen – dieser Neufassung grundsätzliche Kritikpunkte zu äußern:
II. Kritische Anmerkungen zu
II.a) Thematische Überfrachtung
Das vom LNV unter diesem Schlagwort verfolgte Anliegen ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass die neue Verordnung nicht nur Zuständigkeiten nach dem BImSchG, sondern auch nach dem SchadRegProtAG (Gesetz zur Ausführung des Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters), dem EEG (Energie-Einsparungsgesetz) und dem TEHG (Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen) einschließlich der dort enthaltenen Tatbestände für Ordnungswidrigkeiten regelt.
Wir vertreten die Auffassung, dass hier der Bogen über mehrere Rechtsgebiete hinweg zu weit gespannt ist und die Anwender einfach überfordert. Andererseits wird damit die Komplexität des geltenden Umweltrechtes aufgezeigt, was die Erforderlichkeit eines kompakten Umweltgesetzbuches immer dringlicher macht. Auch wenn der Klimaschutz mit den Aspekten Energie-Einsparung und Bewirtschaftung von Treibhausgas-Emissionen zunehmend an Bedeutung gewinnt, sollte dennoch die Trennlinie gegenüber dem „Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen“ gewahrt bleiben. Dieses Gebiet ist bereits komplex genug, um die damit befassten Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung noch auf einer ganz anderen Baustelle beschäftigen zu können.
II.b) Immissionschutzbehörden
Im Zusammenhang effektiven und übersichtlichen Verwaltungshandelns darf die alte Kritik am dreistufigen Verwaltungsaufbau im Immissionsschutzbereich in Baden-Württemberg nicht unberücksichtigt bleiben. Diese ist letztlich auf dem Gebiet des Immissionsschutzes Ursache der oft beklagten komplizieren Unübersichtlichkeit. Anstatt mit der Verwaltungsreform die überflüssigste Verwaltungsstufe, nämlich die Regierungspräsidien als Mittel-Instanz bzw. höhere Immissionsschutzbehörden abzuschaffen, sind diese noch gestärkt aus der Reform hervorgegangen, was in der neuen Zuständigkeitsverordnung natürlich seinen Niederschlag findet (Regelung der Zuständigkeit für IVU-Anlagen gemäß der schon praktizierten „Zaunregelung“, die sich aus Anlass der Neuorganisation der Gewerbeaufsicht ergeben hat.)
Ohne eine Mittelbehörde RP als höhere Verwaltungsbehörde könnte man sich jedoch eine wesentlich effizientere Immissionsschutzverwaltung vorstellen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ohnehin immer mehr Aufgaben den unteren Verwaltungsbehörden zufallen.
II.c) Devolutiveffekt
Die im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 eingeflossenen Überlegungen werden vom LNV als sachgerecht beurteilt, weil in ausreichender Weise Regelungen getroffen sind, dem „bösen Schein“ eines Interessenkonfliktes bei Vorhaben in der Trägerschaft von Landkreisen oder kommunalen Gebietskörperschaften begegnen zu können.
II.d) Luftreinhalte- und Lärmminderungsplanung
Es ist nach wie vor nicht nachvollziehbar, dass für die Luftreinhalteplanung gem. § 47 BImSchG und für die Lärmminderungsplanung gem. § 47a-f BImSchG keine identischen Zuständigkeitsregelungen bestehen. Bei dieser Frage soll ausdrücklich offen bleiben, ob die untere oder die oberste Verwaltungsebene die Richtige wäre; jedenfalls hat sich das Regierungspräsidium Stuttgart als Mittelbehörde nach den Erfahrungen mit dem Luftreinhalte-/Aktionsplan Stuttgart für diese Funktion disqualifiziert (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtes vom August 2009).
Lärmminderungs- und Luftreinhalteplanung verfolgen mit identischen Methoden gleiche Ziele und stoßen bei der Maßnahmen-Umsetzung auf identische Probleme. Diese Probleme beruhen auf dem politischen Willen der beteiligten Kreise – auf welcher Ebene auch immer – , ferner der kommunalen Planungshoheit sowie dem Haushaltsrecht.
Eine durchaus bemerkenswerte Neuerung stellt die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach § 47 Abs.7 BImSchG dar. Diese Vorschrift eröffnet eine neue Perspektive für die Durchsetzung von Maßnahmen der Luftreinhaltepläne und erweitert in dieser Hinsicht den kommunalen Zuständigkeitsbereich erheblich. Diese Regelung wird vom LNV grundsätzlich begrüßt, wenngleich erst die Zukunft zeigen wird, ob durch diese Ermächtigung übergeordneten Grundsätzen der Luftreinhaltepolitik auch ohne Rücksicht auf die Lobby-Arbeit etwa einer örtlichen Automobil-Industrie zum Durchbruch verholfen werden kann. Das Versagen der Mittelbehörde RP jedoch lässt in dieser Hinsicht nur Verbesserungen erwarten.