Pressemitteilung
Naturschützer kritisieren zum Entschluss stehende Gesetzesänderung
Der Landesnaturschutzverband (LNV), Dachverband der baden-württembergischen Naturschützer kritisiert den sogenannten „Bauturbo“, den der Bundestag in dieser Woche als Änderung des Baugesetzbuches beschließen will. Vorsitzender Gerhard Bronner spricht von einer „Brechstange gegen Nachhaltigkeit.“
Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV), Dachverband von 36 Naturschutzvereinen, kritisiert eine Regelung im sogenannten „Bauturbo“, dem in dieser Woche im Bundestag diskutierten § 246e des Baugesetzbuches. Dabei erkennen die Naturschützer das Anliegen des Gesetzes, dringend benötigten preisgünstigen Wohnraum in den Ballungsräumen zu schaffen, durchaus an. Auch Erleichterungen zur Nachverdichtung und Innenentwicklung begrüßen sie.
keine Bauvorhaben im Außenbereich ohne Bebauungsplan!
Stein das Anstoßes ist aber die Möglichkeit, dass Kommunen künftig Bauvorhaben im Außenbereich ohne Bebauungsplan oder der Beachtung anderer den Außenbereich schützender Regelungen (z. B. im § 35 BauGB) genehmigen können. Die von der gesamten Fachwelt seit langem geforderte Innenentwicklungsmaßnahme, die es den Kommunen erleichtern würde, brachliegende Innenentwicklungsflächen zu erschließen, werde dagegen in der Diskussion nicht einmal erwähnt. Das Potenzial solcher Flächen und des Leerstandes läge bei 2 Millionen Wohnungen bundesweit – ohne neuen Flächenverbrauch.
Bauministerin will Stadtplanung mit der Brechstange
„„Weiterer Flächenfraß statt Innenentwicklung“ lautet die Botschaft, die CDU und SPD auf Bundesebene aussenden“, so LNV-Vorsitzender Gerhard Bronner. Dazu passe, dass Bauministerin Hubertz explizit „Stadtplanung mit der Brechstange“ betreiben will. Dass im Bundesbaugesetz, im Raumordnungsgesetz und anderen Gesetzen der Vorrang der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung steht, spiele offenbar keine Rolle mehr. Vom beschlossenen Nachhaltigkeitsziel der Bundesrepublik, den täglichen Flächenverbrauch auf „nur“ noch 30 ha pro Tag zu begrenzen, hätten sich die Parteien mit einer Ausnahme offenbar völlig verabschiedet.
Ernährungssicherung durch Erhalt landwirtschaftlicher Flächen beachten
Das Argument der Ernährungssicherung durch Erhalt landwirtschaftlicher Flächen und Böden war willkommen, als es um die De-Ökologisierung der Landwirtschaftspolitik ging. Bei der Baudiskussion erinnere sich nun niemand mehr daran.
bereits schlechte Erfahrung mit „Bauturbo“ in Vergangenheit gemacht
Dass bei der Neubebauung auf Bebauungspläne nur verzichtet werden solle, wenn „keine erheblichen Umweltauswirkungen“ zu erwarten sind, beruhigt die Naturschützer nicht. Was davon zu halten ist, habe man beim „Bauturbo 1.0“, dem §13b BauGB gesehen, so Bronner. Es herrschte Goldgräberstimmung, Tausende Hektar neuer Einfamilienhausgebiete entstanden, bis Gerichte den Paragraphen als rechtswidrig klassifizierten.
Bauturbo wird auch von Architekten abgelehnt
Zielte der ursprüngliche Scholz-Entwurf wenigstens noch auf verdichteten Wohnungsbau ab, so fehlt dieses Kriterium nun völlig. Das Einfamilienhaus, die flächenfressendste Siedlungsform, feiert fröhliche Urstände. Sehr kritisch sieht auch die Architektenkammer die geplanten Regelungen zum §246e, die „falsche Anreize für kurzsichtige Bauentscheidungen setzen“.
keine Unterstützung von Umweltminister Schneider
Der LNV fragt sich: „Gibt es bei den Regierungsfraktionen denn gar keine Umweltschützer mehr?“ Von Bundesumweltminister Schneider ist zu hören: „Der Bauturbo verbindet beide Anliegen miteinander und zeigt: Schnelleres Bauen und Umweltschutz schaffen beide Lebensqualität, sie sind miteinander vereinbar. Da ist uns eine gute, schnelle und pragmatische Einigung gelungen.“ Eine gelungene Brechstange gegen Nachhaltigkeit und Bauplanungsqualität? Naturschützer Bronner fragt sich: „Meint der Umweltminister das im Ernst?“
„Architects for future“: in demokratischen Prozessen entstandenes Planungsrecht ausgehebelt
Was aus fachlicher Sicht zum Bauturbo zu sagen ist, steht nüchtern in der Stellungnahme von „Architects for future“:
„Der Referentenentwurf aus dem Kabinettsbeschluss hebelt …. ein komplettes Gesetzbuch aus, setzt Nachbarschaftsschutz außer Kraft und stellt bestehendes, in demokratischen Prozessen entstandenes Planungsrecht überall in Frage – und das ohne jegliche flankierende Regelungen zur Lösung der Wohnungskrise.“
Ein Schreiben der baden-württembergischen Naturschutzverbände an die Bundestagsabgeordneten aus dem Land hat vor allem eines erbracht: Kanzleitrost!
Hintergrundinformationen
Die Idee für den neuen Paragraphen 246e BauGB wurde im Bundeskanzleramt noch unter Kanzler Scholz geboren. Damals versäumte man, die Kommunen einzubeziehen und erntete prompt eine Woge des Widerstandes, der die Idee versanden ließ. Den Fehler wiederholt die neue Regierung nicht und weist nun die Entscheidung den Kommunen zu. Die können sich nun über andere öffentliche Interessen hinwegsetzen – so könnte der Bauturbo zum „Gerichtsturbo“ werden.