veraltetes LNV-Info 1/2005, steht nur aus archivarischen Gründen im Internet.
Auf Grund der Entwicklung der Gefährdung und des Klimawandels müssen die Erhaltungsziele teilweise neu definiert werden.
Grundsätze zur Ermittlung der Erhaltungsziele
Mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Ziel gesetzt, durch Errichtung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 die Lebensraumtypen des Anhangs I und die Populationen und Habitate der Arten des Anhangs II so zu schützen, dass ihr Fortbestand oder ggf. die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleistet ist (Art. 3 Abs. 1). An dieser übergeordneten Zielsetzung müssen sich die Schutzbemühungen jedes einzelnen Natura 2000-Gebietes orientieren. Darauf ausgerichtet sind deshalb auch die Erhaltungsziele für die Gebiete zu formulieren. Da nicht überall von dem von der FFH-Richtlinie geforderten günstigen Erhaltungszustand der Schutzgüter ausgegangen werden kann, sind „Erhaltungsziele“ oder „Entwicklungsziele“ fallweise, je nach Zustand, festzulegen.
1. Gegenstand der Erhaltungs- und Entwicklungsziele
Bezogen auf das Schutzgebietsnetz Natura 2000 umfassen die Erhaltungsziele nicht von vornherein das gesamte Gebiet und alle seine Bestandteile. In jedem Fall betreffen die Erhaltungsziele jedoch alle im Gebiet vorkommenden Lebensräume des Anhangs I einschließlich der charakteristischen Arten dieser Lebensräume sowie alle Populationen und Habitate der Arten des Anhangs II (im Folgenden „Schutzgüter“ genannt). Diese Schutzgüter sollten vollständig im Standarddatenbogen (SDB) und der Schutzverordnung des FFH-Gebietes aufgelistet sein. Allerdings ist der Fall denkbar, dass bei der Meldung des Gebietes noch nicht alle Schutzgüter bekannt waren und diese erst im Zuge einer gründlicheren Erst-Bestandsaufnahme entdeckt werden. Neu entdeckte Schutzgüter sind ab dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung als
Schutzgüter nachzutragen und bei der Definition der Erhaltungsziele zu berücksichti-gen.
Arten und Lebensräume sind über die FFH-Richtlinie eng miteinander verzahnt und deshalb auch bei der Aufstellung von Erhaltungs- und Entwicklungszielen zu berück-sichtigen. Ebenso, wie es um Strukturen, Alterszusammensetzung und abiotische Fak-toren bei der Beurteilung von Lebensraumtypen des Anhangs I geht, sind die für diese Lebensraumtypen charakteristischen Tier- und Pflanzenarten einzubeziehen. Bei der Aufstellung von Erhaltungs- und Entwicklungszielen für die Arten des Anhangs II sind genauso deren Lebensräume zu beachten.
2. Konkrete Definitionen des Erhaltungszustandes
In jedem Gebiet steht als oberstes Erhaltungsziel die Bewahrung des aktuellen Zustan-des von vornherein fest (siehe Art. 6 Abs. 2: Verschlechterungsverbot).
Ein günstiger Erhaltungszustand eines Schutzgutes ist dann gegeben, wenn es folgende Merkmale gleichzeitig aufweist:
a) Das einzelne Vorkommen des Schutzgutes in dem FFH-Gebiet weist aktuell zum größten Teil einen hervorragenden oder guten Erhaltungszustand auf. Dies heißt, dass lediglich wenige, kleine Teile des Gesamtvorkommens einen schlechteren Erhaltungszustand besitzen.
b) Der langfristige Fortbestand eines Lebensraumes einschließlich seiner charakteristischen Arten ist gewährleistet (Art. 3 Abs. 1, Art. 1 e) bzw. der langfristige Fortbestand der Habitate oder der Bestandesgröße einer Anhang II -Art ist gewährleistet (Art. 3 Abs. 1, Art. 1 i).
c) Die Fläche, die von den betreffenden Lebensräumen oder Habitaten der An-hang II-Art innerhalb des Gebietes eingenommen wird bzw. der Bestand der Anhang II Arten in dem Gebiet, ist innerhalb der letzten 10 Jahre konstant oder nimmt zu und droht zukünftig nicht abzunehmen.
Wenn eine dieser Bedingungen nicht erfüllt ist, ist der Erhaltungszustand des Schutzgutes unabhängig von der Gesamtbewertung im Standarddatenbogen als nicht günstig zu bezeichnen, so dass zum Verschlechterungsverbot als oberstem Erhaltungsziel Entwicklungsziele zur Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes zu treten haben.
In diesem Fall liegt ein nicht günstiger Erhaltungszustand eines Schutzgutes vor, bei dem zumindest eines der folgende Merkmale gegeben ist:
a) Das einzelne Vorkommen des Schutzgutes in dem FFH-Gebiet weist aktuell zum größten Teil einen durchschnittlichen oder beschränkten Erhaltungszu-stand auf. Dies heißt, dass lediglich wenige, kleine Teile des Gesamtvorkommens einen hervorragenden oder guten Erhaltungszustand besitzen.
b) Der langfristige Fortbestand eines Lebensraumes einschließlich seiner charakteristischen Arten ist nicht gewährleistet (Art. 3 Abs. 1, Art. 1e) bzw. der langfristige Fortbestand der Habitate oder der Bestandesgröße einer Anhang II -Art ist nicht gewährleistet (Art. 3 Abs. 1, Art. 1i).
c) Die Fläche, die von den betreffenden Lebensräumen oder Habitaten der An-hang II-Arten innerhalb des Gebietes eingenommen wird, bzw. der Bestand der Anhang II-Arten hat innerhalb der letzen 10 Jahre abgenommen oder droht zu-künftig abzunehmen
Wenn eine dieser Bedingungen gegeben ist, dann ist neben der Bewahrung des aktuel-len Zustandes (Verschlechterungsverbot) als zweites Erhaltungsziel die Wiederherstel-lung eines günstigen Erhaltungszustandes des betreffenden Schutzgutes im Standarddatenboden und der Schutzverordnung des betreffenden FFH-Gebietes aufzuführen (Art. 3 Abs. 1).
Die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes wird dabei je nach Fall durch qualitative Verbesserungen der vorhandenen Einzelvorkommen und/oder durch quantitative Vergrößerungen der Gesamtvorkommen mittels Regeneration
oder Neuschaffung von Lebensräumen vorzunehmen sein.
Für das Land Baden-Württemberg bedeutet dies, dass in jedem der insgesamt 260 Ge-biete Lebensräume und/oder Arten der Anhänge I und II vorkommen, die keinen günsti-gen Erhaltungszustand aufweisen, so dass die Erhaltungsziele in all diesen Fällen auch die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes umfassen müssen.
Die Fälle, in denen die jeweiligen Gesamtvorkommen von Lebensräumen oder von Habitaten und Beständen der Arten des Anhanges II in Bezug auf das jeweilige großräumige FFH-Gebiet in den letzten 10 Jahren nicht zurückgegangen sind und gleichzeitig noch bei allen Beständen des jeweiligen FFH-Gebietes aktuell ein zumindest guter Erhaltungszustand gewährleistet ist, sind Ausnahmen!
Darüber darf auch nicht hinwegtäuschen, dass die in den Standdarddatenbögen vorge-nommenen Bewertungen der Gesamtvorkommen von Lebensräumen und/ oder Arten der Anhänge I und II in sehr vielen Fällen mit „A“ oder „B“ erfolgt sind. Diese Bewertun-gen waren zur Auswahl der Gebiete im Zuge der Phase 1 der Gebietsmeldung (Art. 4 Abs. 1) sicherlich hilfreich, sie sind jedoch nicht zielführend hinsichtlich der Frage, ob der jeweilige Erhaltungszustand des Schutzgutes „günstig“ oder „nicht günstig“ ist.
3. Sicherung und gegebenenfalls die Wiederherstellung der Kohärenz
Ein weiteres Ziel der FFH-Richtlinie besteht in der langfristigen Sicherung und gegebe-nenfalls der Wiederherstellung der Kohärenz des Natura 2000-Netzes in Bezug auf alle Lebensräume und Anhang II -Arten in dem FFH-Gebiet (Art. 3 Abs. 1). Damit ergeben sich für die Fälle, in denen die Gesamtvorkommen eines Lebensraumes bzw. einer An-hang II-Art in dem FFH-Gebiet für die Kohärenz des Natura 2000-Netzes von Bedeutung sind, weitergehende Ziele als die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes des einzelnen Schutzgutes.
In folgenden Fällen ist als zusätzliches Erhaltungsziel die Sicherung bzw. gegebenen-falls die Wiederherstellung der Kohärenz des Natura 2000-Netzes in den Standarddatenbögen und den Schutzverordnungen der FFH-Gebiete aufzuführen:
a) Die Einzelvorkommen eines Lebensraumes in dem FFH-Gebiet liegen in mehr als 50 km Entfernung (Luftlinie) zu den nächstgelegenen Einzel-Vorkommen eines FFH-Gebietes mit einem günstigem Erhaltungszustand dieses Lebensrau-mes. In einem solchen Fall ist keine Kohärenz des Natura 2000-Netzes mehr gegeben.
Anmerkung: Bei solch großen Entfernungen kann grundsätzlich davon ausge-gangen werden, dass zumindest für einzelne charakteristische Arten kein ausreichend großer Genaustausch mit anderen FFH-Gebieten gewährleistet ist, um langfristig ein Überleben der Population der Arten zu sichern. Die hier genannte Entfernung ist jedoch nicht im Umkehrschluss als Grenzwert für eine hinsichtlich der Kohärenz ausreichende Nähe von Einzelvorkommen zu verwenden, da die zur Gewähr¬leistung einer Kohärenz notwendigen Entfer-nungen insbesondere für manche Tierarten um Größenordnungen kleiner ist.
b) Das Habitat einer Art des Anhanges II in dem betreffenden FFH-Gebiet ist so weit von den nächstgelegenen Einzelvorkommen eines anderen FFH-Gebietes mit einem günstigen Erhaltungszustand dieser Art entfernt, dass unter Berücksichtigung der Populationsbiologie der Art kein ausreichend großer Genaustausch zwischen den FFH-Gebieten gewährleistet ist, um langfristig ein Überleben der Population der Art zu sichern.
c) Aufgrund stark schwankender Umweltbedingungen, der Populationsdynamik der Art(en) oder sonstiger limitierender biologischer Faktoren reicht die Größe und/ oder die Qualität des Erhaltungszustandes eines Schutzgutes in dem betreffenden FFH-Gebiet nicht aus, um langfristig den notwendigen Populati-onsaustausch mit den betreffenden Vorkommen in benachbarten FFH-Gebieten sicherzustellen.
Anforderungen an die Einträge zu Erhaltungszielen in den Standarddatenbögen
Ausgehend von den unter I. angeführten Grundsätzen sollten in den Standarddatenbö-gen der FFH-Gebiete die Erhaltungsziele wie folgt verfasst sein:
1. Es sind alle Lebensräume und Anhang II -Arten des Gebietes bei den Erhal-tungszielen berücksichtigt.
2. Für alle Lebensräume und Anhang II -Arten des Gebietes, die aktuell einen günstigen Erhaltungszustand aufweisen, bestehen die Erhaltungsziele des betreffenden FFH-Gebietes zumindest darin, den Fortbestand des aktuellen günstigen Erhaltungs¬zustandes langfristig sicherzustellen.
Darüber hinaus kann auch eine Vergrößerung der Einzelvorkommen und/oder eine qualitative Verbesserung des Erhaltungszustandes als Erhaltungsziel angebracht sein.
3. Für alle Lebensräume und Anhang II -Arten des Gebietes, die aktuell keinen günstigen Erhaltungszustand aufweisen, bestehen die Erhaltungsziele des betreffenden FFH-Gebietes darin, zum einen den aktuellen Erhaltungszustand gegenüber Verschlechterungen zu sichern (Art. 6 Abs. 2) und zum zweiten die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungs¬zustandes zu gewährleisten (Art. 3 Abs. 1).
Die Art und Weise, wie die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes für die betreffenden Lebensräume bzw. Anhang II-Arten zu gewährleisten ist, muss dabei nicht zwingend aufgeführt sein. Diese ist jedoch spätestens bei den Managementplänen (Pflege- und Entwicklungsplänen, PEPL) detailliert aufzuführen.
4. Für alle Lebensräume und Anhang II -Arten des Gebietes, für die aktuell die un-ter Punkt I.3 gegebenen Bedingungen zutreffen, bestehen die Erhaltungs¬ziele des betreffenden FFH-Gebietes zusätzlich darin, die Sicherung und gegebe-nenfalls Wiederherstellung der Kohärenz des Natura 2000-Netzes zu ge-währleisten.
Die Art und Weise, wie dies zu gewährleisten ist, muss dabei ebenfalls nicht zwingend aufgeführt sein. Diese ist aber wiederum spätestens bei den Manage-mentplänen (Pflege- und Entwicklungsplänen, PEPL) detailliert aufzuführen.