Umwelt- und Verkehrsverbände lehnen weitere Zumutungen der S21-Taskforce ab
Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, ProBahn, VCD und LNV in Baden-Württemberg
25/06/2025
S21-Taskforce muss noch wichtige Punkt vor Inbetriegnahme klären
Noch bis zum 18. Juli laufen die Beratungen der S21-Taskforce, die wichtige offene Punkte im Zusammenhang mit der geplanten Inbetriebnahme des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofs im Dezember 2026 klären soll. Hinter verschlossen Türen entscheiden die Beteiligten dabei über Wohl und Wehe von Millionen Menschen, die auf einen funktionierenden Bahnverkehr in und um die Landeshauptstadt angewiesen sind.
Umwelt- und Verkehrsverbände fordern Prioritätensetzung zu Gunsten der Fahrgäste
Drei Wochen vor Abschluss der Beratungen fordern die Umwelt- und Verkehrsverbände BUND, ProBahn, VCD und LNV in Baden-Württemberg sowie die Mobilitätswendeallianz von der Taskforce eine klare Prioritätensetzung zu Gunsten von Fahrgästen, Klima und Umwelt. Sie sorgen sich besonders um die Betriebsstabilität im Bahnknoten Stuttgart während der letzten Bauphase und zur geplanten Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs Ende 2026.
Inbetriebnahme in mehreren Schritten
Gemeinsam plädieren sie für eine geordnete und beherrschbare Inbetriebnahme in mehreren Schritten, um offene Fragen etwa zum fehlenden Abstellbahnhof oder der Gäubahnanbindung zu klären. Aus Sicht der Verbände braucht es dafür unter anderem einen realistischen, öffentlichen, kontinuierlich aktualisierten Zeitplan für die Fertigstellung der Infrastruktur – inklusive aller Stellwerke und Weichen.
Spielraum für Tests und Nachbesserungen schaffen
Martin Bachhofer, Landesgeschäftsführer BUND Baden-Württemberg: „Für einen sicheren und zuverlässigen Betriebsstart muss die Inbetriebnahme schrittweise erfolgen, mit ausreichend Spielraum für Tests und Nachbesserungen. Die Betriebsabläufe sind komplex. Mit der für Stuttgart weiterentwickelten Leit- und Sicherungstechnik ETCS betreten wir technisches Neuland – das verlangt Sorgfalt, nicht Hast. Es geht schließlich um das Rückgrat der alltäglichen Mobilität für Millionen Pendler*innen und Reisende.“
Zug- und S-Bahnverkehr in der Region muss stabil und verlässlich sein
Wolfgang Staiger, Vorsitzender PRO BAHN Region Stuttgart: „Der Zug- und S-Bahnverkehr in der Region Stuttgart muss jederzeit stabil und verlässlich sein. Fahrgäste brauchen Planbarkeit – spontane Ausfälle, kurzfristige Sperrungen und unübersichtliche Ersatzkonzepte sind nicht länger hinnehmbar. Sie führen zu Frust und treiben die Menschen zurück ins Auto. Wir fordern: kein Bahnchaos, keine zeitraubenden Umstiege! Eine frühzeitige Kommunikation und ein stabiler Betrieb müssen im Mittelpunkt stehen.“
Gäubahn-Anbindung kritischer Punkt
Ein besonders kritischer Punkt bleibt die Anbindung der Gäubahn an den Hauptbahnhof. Die Verbände fordern, die Verbindung über die Panoramastrecke bis zum Kopfbahnhof für einen flexiblen Übergangszeitraum zu erhalten – auch über die Inbetriebnahme von S21 hinaus.
Gäubahn ist Ausweichroute für S-Bahn während der Stammstreckensperrungen
Gero Treuner, Vorstand VCD Baden-Württemberg: „Die Gäubahn-Anbindung bietet doppelte Sicherheit: als Rückfallebene bei Startschwierigkeiten im neuen Tiefbahnhof und als Ausweichroute für die S-Bahn während der Stammstreckensperrungen der nächsten Jahre. Das schafft Stabilität gerade in der Übergangszeit. Auch eine spätere Verschwenkung der Gleise in Bad Cannstatt würde helfen, die Komplexität der Inbetriebnahme zu reduzieren“.
Fahrgäste dürfen nicht belastet zu werden
Stefan Frey, LNV: „Unabhängig davon, wie man zu Stuttgart 21 steht: Das Projekt hat es nicht verdient, in der sensiblen Inbetriebnahmephase mit gravierenden Nachteilen für die Fahrgäste belastet zu werden.“
Bei weit mehr als 100 Störfällen im Jahr Redundanz notwendig
Romeo Edel, Sprecher Mobilitätswendeallianz Baden-Württemberg: „Bei leider weit mehr als 100 Störfällen im Jahr auf den S-Bahnstrecken ist es schlichtweg unzumutbar und auch nicht bewältigbar, wenn zum Beispiel in der Hauptverkehrszeit tausende von Pendler*innen an irgendeiner S-Bahnstation in die Fahrzeuge der SSB umsteigen sollten.“
Kommt der neue Bahnhof mit den geplanten Zugzahlen zurecht?
Zudem ist aus Sicht der Verbände längst nicht sicher, dass der neue Bahnhof mit den geplanten Zugzahlen zurechtkommt. Erst wenn alle Zuläufe angebunden sind, lässt sich realistisch beurteilen, ob die Bahnsteige und Gleise ausreichen, um den Bedarf dauerhaft zu decken.
Zentrale Forderungen der Umwelt- und Verkehrsverbände an die S21-Taskforce:
- – Transparenz: klare und frühzeitige Kommunikation bei Baustellen, Sperrungen und Änderungen im Betriebsablauf.
- – Schrittweise und belastbare Inbetriebnahme: genügend Zeit für Tests, möglichst wenig Sperrungen und Einschränkungen im Zugverkehr, stabile Einführung des neuen Betriebskonzepts und der Leit- und Sicherungstechnik.
- – Infrastruktur flexibel denken: Spätere Verschwenkung der Gleise in Bad Cannstatt mit übergangsweiser Erreichbarkeit des Kopfbahnhofs ernsthaft prüfen.
- – Erhalt der Gäubahn-Anbindung an den Kopfbahnhof für einen flexiblen – bei Bedarf auch längeren – Übergangszeitraum
- – Keine Kappung der Gäubahn, bevor eine alternative Anbindung (z.B. über den Pfaffensteigtunnel) in Betrieb genommen worden ist.
- – Feste Zusage zum langfristigen Erhalt und Betrieb der Panoramastrecke
Hintergrund
Die Taskforce zu Stuttgart 21 wurde nach der Lenkungskreissitzung am 19. Mai 2025 eingerichtet. Sie soll wichtige offene Punkte im Zusammenhang mit der geplanten Inbetriebnahme des neuen Tiefbahnhofs im Dezember 2026 bis zu einer Sondersitzung des Lenkungskreises am 18. Juli klären – insbesondere bei der Installation der neuen Leit- und Sicherungstechnik, aber auch bei der Koordination notwendiger Streckensperrungen sowie der zukünftigen Anbindung der Gäubahn. Beteiligt sind die Deutsche Bahn und ihre Projektpartner – das Land Baden-Württemberg, die Landeshauptstadt Stuttgart und der Verband Region Stuttgart.
Die Umwelt- und Mobilitätsverbände VCD, BUND, LNV und Pro Bahn setzen sich seit langem für Verbesserungen beim Projekt S21 ein, für Fahrgäste, Klima und Umwelt. Besonderes Anliegen ist ihnen der dauerhafte Erhalt einer umsteigefreien Anbindung der Gäubahn an den Stuttgarter Hauptbahnhof. Dieses Ziel verfolgen sie auch auf dem Rechtsweg.
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Verkehrsclub Deutschland (VCD),
PRO BAHN Region Stuttgart
Landesnaturschutzverbands (LNV), Baden-Württemberg
Allianz für Mobilitätswende Baden-Württemberg