Quelle: Zoonar GmbH / Alamy Stock Foto

Windenergie im Wald in Baden-Württemberg

LNV-Info 01/2025, LNV-Position

Hier das vollständige LNV-Info (pdf)

 

Bisherige Entwicklung
Im Zuge des Ausbaus der Windenergie in Baden-Württemberg seit den 90er-Jahren hat sich der Schwerpunkt der Standorte vom Offenland in den Wald verlagert. Der LNV hat diesen Prozess genauer analysiert. Die vorliegende Analyse basiert auf Daten der Forstlichen Versuchsanstalt und des Umweltinformationssystems der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (UDO).
Insgesamt wurden von 1994 bis 2023 773 Windenergieanlagen gebaut. Davon stehen 343 im Wald (44 %), 430 im Freiland (56 %).
Betrachtet man nur die Anlagen, die in den letzten zehn Jahren gebaut wurden (2014-2023), so stehen im Wald: 298 (74 %) und im Freiland 105 (26 %)
Nach einer Stagnation des Windenergieausbaus 2008 bis 2012 sollte durch den Windenergieerlass im Jahr 2012 eine Beschleunigung des Ausbaus erreicht werden. Die Planungszuständigkeit wurde den Regionalverbänden entzogen, weil man sie der Verhinderungsplanung verdächtigte. Stattdessen sollte nun jede einzelne Gemeinde entscheiden, wo Windenergieanlagen entstehen sollten. Dies führte zu einem Flickenteppich von Windenergieplanungen, je nachdem, ob die Gemeinde eher pro oder contra Windenergie eingestellt war. Planungsqualität ging verloren, es wurde nicht mehr aus übergeordneter Perspektive entschieden, wo die besten Standorte (im Sinne einer Abwägung aller Belange) waren. Der Fehler ist mittlerweile erkannt, die Zuständigkeit wurde wieder den Regionalverbänden übertragen.
Seit März 2022 will das Land zusammen mit den 12 Regionalverbänden notwendige Flächen für die Versorgung mit erneuerbaren Energien sichern. Insgesamt sollen mindestens 2 Prozent der Landesfläche für regionalbedeutsame Freiflächen-Photovoltaikanlagen und für Windenergieanlagen planungsrechtlich gesichert werden, davon nach Vorgaben des Bundes 1,8 Prozent für die Windenergie. Bis Ende 2025 sollen die Regionalverbände entsprechende Satzungen beschließen, die Umsetzung soll ab 2026 erfolgen.
Bei diesen Planungen steht die Ausweisung von Windenergieanlagen im Wald im Vordergrund, auch weil entsprechend den Koalitionsvereinbarungen „bis zu 1000 neue Windkraftanlagen“ auf Landesflächen insbesondere im Staatswald ausgewiesen werden sollen.
Die Umsetzung an planungsrechtlich gesicherten Standorten kann unter vereinfachten Auflagen erfolgen. Es ist aber auch außerhalb der Planungen der Regionalverbände weiterhin möglich, Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen auf anderen Standorten zu beantragen, allerdings mit erhöhten Prüfanforderungen (Natur- und Umweltbelange).

Pro und Contra Waldstandorte
Waldstandorte sind tendenziell weiter von Siedlungen entfernt und rufen weniger Widerstand hervor. Die Eigentumsstruktur ist einfacher. Eine Rolle bei der bisherigen Entwicklung hat auch gespielt, dass der Milan sich zu einem wesentlichen Hemmnis für die Windenergieplanung entwickelt hat (streng geschützte, windenergiesensible Art). Er jagt im Freiland. Es spricht allerdings manches dafür, dass der Konflikt zwischen Milan und Windenergie deutlich überschätzt wurde: Wesentliche windenergiebedingte Populationsrückgänge sind nirgends bekannt. Deshalb wurden auch gewisse Lockerungen bei den Planungsvorgaben vorgenommen, die Kriterien für Dichtezentren wurden geändert.
Dem stehen aber ökologische Nachteile von Waldstandorten gegenüber. Die Eingriffe in Lebensräume sind tendenziell größer, schon weil zunächst für die Aufstellung einer Anlage 0,5-1 ha Wald gerodet werden müssen. Die Standorte liegen häufig in topographisch schwierigem Gelände (Bergkuppen), sodass teilweise massive Eingriffe für die Erschließung erfolgen müssen. Bei Freilandanlagen dagegen stellt man die Anlage im besten Fall direkt neben einen vorhandenen Feldweg.
Eine Studie des Umwelt- und Prognose-Instituts Heidelberg (UPI) thematisiert diese Entwicklung hin zu Waldstandorten, stellt die Nachteile der Anlagen im Wald dar und belegt, dass die Ziele der Energiewende auch bei einem Verzicht auf Waldstandorte machbar wären. Auch wenn sich der LNV nicht mit allen Aussagen der Studie identifizieren kann – z.B. ist es wegen der Sektorkopplung kaum realistisch, den Windenergieausbau durch Energiesparen wesentlich verringern zu können – ist die Grundbotschaft bedenkenswert.
Dort und in anderen Publikationen wird auch belegt, dass die Dominanz von Waldstandorten ein Landesspezifikum von Baden-Württemberg ist. In anderen Bundesländern, die überwiegend beim Windenergieausbau weiter sind, gibt es diese Entwicklung nicht, teilweise wurde bisher bewusst vollständig auf Waldstandorte verzichtet. Mittlerweile werden in allen Bundesländern auch Waldstandorte herangezogen, zumal vom Bundes-verfassungsgericht ein völliger Ausschluss des
Waldes für unzulässig erklärt wurde (https://www.bundesverfassungsgericht.de). Dennoch wird in keinem anderen Bundesland so dominant auf Waldstandorte gesetzt wie in Baden-Württemberg.
Der LNV ist der Meinung, Windenergieanlagen sollten innerhalb der möglichen Gebiete dort entstehen, wo die Eingriffe in den Naturhaushalt, Populationen seltener Tierarten, das Landschaftsbild und andere Schutzbelange am geringsten sind. Deshalb sieht er die Dominanz der Anlagen im Wald kritisch, ohne Waldstandorte grundsätzlich auszuschließen. Wo in standortfremden Nadelwäldern ohne große zusätzliche Erschließung gebaut werden kann, kann aus LNV-Sicht die Windenergie ausgebaut werden. Ein Beispiel ist der Windpark Falkenberg zwischen Lauterstein-Degenfeld und Böhmenkirch bzw. Bartholomä:
https://maps.app.goo.gl/X5DT8xXLDvoe1HFW6
Wo dagegen in standortgerechte Wälder eingegriffen wird wie im Schurwald, ist das kritisch zu sehen:
https://maps.app.goo.gl/aST9kt12Xmewvfxq6
Muss man hier Windanlagen bauen?
Sichtet man die Empfehlungen für den naturverträglichen Ausbau der Windenergie, besteht ein weitgehender Konsens, dass naturnahe Wälder nicht in Anspruch genommen werden sollten (z.B. LEHMANN 2024).

Sind Windenergieanlagen im Wald in Baden-Württemberg für die Energiewende notwendig?
Der LNV hat die von der LUBW als möglich eingestuften Windenergiestandorte mit den Waldflächen verschnitten. Die Qualität der Wälder (Fichtenreinbestand / Buchenwald / Mischwald) konnte dabei nicht berücksichtigt werden, da hierfür keine Geodaten verfügbar waren.
In der nachfolgenden Tabelle ist dargestellt, welche Flächenanteile des Landes nach der Anwendung verschiedener Selektionskriterien für den Windenergieausbau verfügbar bleiben.
Nach den Daten der LUBW sind 11,75 % der Landesfläche Windenergie-geeignet, wenn man den Artenschutz außer Betracht lässt. Berücksichtigt sind dabei Windhöffigkeit, Abstände zu Siedlungen, strenge Schutzgebiete, Tiefflugzonen usw. Bei Schonung der Auerhuhn-relevanten Flächen fallen nur 0,2 % der Landesfläche zusätzlich weg.
Im Fachbeitrag „Artenschutz“ für die Regionalplanung wurde das Land in 5 Zonen eingeteilt. Neben Flächen ohne Artenschutzrelevanz gibt es die Zonen A, B, C, D mit absteigender Artenschutzrelevanz. Eine fachlich basierte und umweltschonende Planung sollte auf die Zonen A und B verzichten. Dadurch fallen etwa 25 % der Potenzialflächen weg bzw. 3 % der Landesfläche. Es verbleiben 8,44 % der Landesfläche – benötigt für die Ausbauziele des Landes werden aber nur 1,8 %.
Dargestellt sind in der Tabelle auch die Fälle,
a) dass ganz auf Waldstandorte verzichtet wird (was nicht unsere Position ist) und
b) dass nur die Hälfte der Waldstandorte in die Auswahl einbezogen wird, um wertvolle Laub- und Mischwälder zu schützen und extrem aufwändige
Erschließungen zu vermeiden (neue Zufahrten in Steilhängen).
Es zeigt sich, dass auch bei einem völligen Verzicht auf Waldstandorte (was wir nicht befürworten) deutlich mehr als das Flächenzieles von 1,8 % der Landesfläche verfügbar bleibt. Allerdings würde es deutliche regionale Verschiebungen geben. Das Ziel, die Windenergie im Land gleichmäßig auszubauen, wäre nicht zu halten. Das ist aber auch fachlich nicht sinnvoll, sind die Windhöffigkeiten und die Restriktionen doch sehr ungleichmäßig verteilt.
Verzichtet man auf die Hälfte der Waldstandorte, bleibt mit 5,7 % der Landesfläche das Dreifache des Benötigten übrig. Nachfolgend sind die beschriebenen Kulissen in Karten dargestellt.
Würde man ganz auf Waldstandorte verzichten, so würde das südliche Oberschwaben und der Schwarzwald weitgehend wegfallen, der Schwerpunkt des Ausbaus würde auf der Schwäbischen Alb, Franken, den Gäuplatten und dem Kraichgau liegen.
Da es immer auch unerwartete Hemmnisse für die Belegung von Potenzialflächen geben kann, wäre das Flächenziel von 1,8 % der Landesfläche bei vollständigem Verzicht auf Waldstandorte nur schwer erreichbar. Auf die kritischere Hälfte der Waldstandorte könnte aber verzichtet werden, wenn man die Fiktion einer gleichmäßigen Verteilung im Land aufgäbe.

LNV-Forderungen
Für den LNV hat die ökologisch-fachliche Auswahl der Windenergiestandorte Vorrang vor der Gleichverteilung über das Land. Flächen mit großen Artenschutzkonflikten scheiden für den LNV von vorneherein aus, also:
– auerhuhnrelevante Flächen
– Flächen mit Artenschutzrelevanz der
Klassen A und B
Der LNV spricht sich darüber hinaus dafür aus, auf Windenergiestandort
– in standortgerechten Laub- und Mischwäldern
– in Steillagen mit erheblichen Eingriffen für die Erschließung
– in Gebieten mit hochwertigem Landschaftsbild (Klassen 6 bis 10 nach Bewertungssystem Uni Stuttgart) .
zu verzichten.

Ist es für wesentliche Änderungen nicht längst zu spät?
Die Regionalverbände arbeiten mit Hochdruck an der Aufstellung von Teilregionalplänen Windenergie. Einige Entwürfe sind gerade in der Anhörung. Die Umweltverbände sind teilweise noch mit der Erstellung von Stellungnahmen beschäftigt.
Manche Regionalverbände haben in Erwartung von planerisch noch unbekannten Hemmnissen deutlich mehr als 1,8 % der Fläche für Windparks vorgesehen. Da ist also noch Spielraum drin. Schwierig wird es sicher in Regionalverbänden, in denen es fast nur Waldstandorte gibt, beispielsweise im südlichen Oberrhein.
Außerdem übernehmen die Regionalverbände ungeprüft Flächen, die ForstBW bereits als Windparks ausgeschrieben hat. Manche davon sind noch gar nicht auf Artenschutzkonflikte geprüft und werden im Verfahren möglicherweise ausscheiden, so dass die Regionalverbände gut beraten sind, mehr als die 1,8 % Fläche vorzusehen.
Und schließlich schließt die Ausweisung eines Wind-Vorranggebietes durch die Regionalverbände nicht aus, dass auch an anderen Stellen über Bebauungspläne Windparks projektiert werden. Dort sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass kritische Waldstandorte außen vor bleiben.
Lehnt der Naturschutz manche der vorgesehenen Flächen in Kenntnis des Wertes der Flächen ab, so geben die Karten Hinweise darauf, wo stattdessen weniger kritische Alternativflächen vorgeschlagen werden können.

Die oben genannten Datensätze können auf dieser interaktiven Karte visualisiert werden:
https://qgiscloud.com/LNV_BW/Wind_cloud/
Über „Karten & Werkzeuge“ (rechts oben) kann eingestellt werden, welche Layer angezeigt oder ausgeblendet werden sollen.

Vom LNV-Vorstand beschlossen am 16. Juli 2024,
überarbeitet im Februar 2025.
Dieses LNV-Info 01/2025 ersetzt das LNV-Info 03/2024, das hiermit seine Gültigkeit verliert.

gez. Dr. Gerhard Bronner

Hier das vollständige LNV-Info (pdf)