Umweltstandards bei der Wohnraumbeschaffung erhalten!

Leerstände nutzen!

Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV), Dachverband von 34 Naturschutzverbänden, fordert in einem aktuellen Positionspapier, für die Beschaffung von Wohnraum die überall im Lande vorhandenen Leerstände zu nutzen. Der LNV weist die Forderungen nach Lockerung von Umweltstandards bei den Bauvorschriften zurück. Stattdessen müsse die Erschließung innerörtlicher Potentiale verstärkt in Angriff genommen werden.

LNV-Position zur Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge, Migranten und einkommensschwache Bevölkerungsgruppen

400.000 neue Wohnungen müssen in Deutschland jährlich neu gebaut werden, lautet die Forderung von Interessengruppen der Bau- und Immobilienwirtschaft. Nur dann sei es möglich, die bei uns ankommenden Flüchtlinge und Migranten ausreichend mit Wohnraum zu versorgen und gleichzeitig die Nachfrage einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen nach preisgünstigen Wohnungen zu befriedigen. Kommunal- und Landespolitiker nutzen diese Gelegenheit und schlagen vor, als einschränkend empfundene Bauvorschriften zu lockern, das Bauen auf der grünen Wiese zu erleichtern und weniger Rücksicht auf Belange des Klima-, Natur- und Umweltschutzes zu nehmen. So forderte jüngst der baden-württembergische Gemeindetag die Abschaffung der Plausibilitätsprüfung für die Baulandbedarfsnachweise der Gemeinden.

Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) weist solche Vorschläge entschieden zurück. Es ist weder geboten noch akzeptabel unter dem Vorwand neu zu schaffender Wohnungen auf den Schutz von Flora und Fauna, sowie auf den schonenden Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen ganz oder teilweise zu verzichten, und ohne Rücksicht auf den immer noch viel zu hohen Flächenverbrauch weiterhin auf Außenentwicklung statt auf Innenentwicklung zu setzen.
Der LNV fordert stattdessen, entsprechend den neuesten Änderungen des Baugesetzbuchs, die vorrangige Innenentwicklung konsequenter als bisher zu betreiben und von den im Gesetz erlaubten Maßnahmen zur Erleichterungen der Unterbringung von Flüchtlingen in bebauten Gebieten Gebrauch zu machen, notfalls flankiert durch Baugebote und durch Maßnahmen nach dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz gegen das Leerstehen von Wohnraum .
Im Grundsatz sind in Baden-Württemberg für Wohnungen und Gewerbe nur ausnahmsweise Neubauten erforderlich. Vielmehr müssen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den in den Städten und Gemeinden in den vergangenen Jahrzehnten ständig angewachsenen Vorrat an leer stehenden Wohnungen, ungenutzten Büroräumen und Fabrikhallen, sowie an verlassenen Schul- und Krankenhäusern nutzbar zu machen. Geschieht dies, kann im Lande ohne weiteres ein ausreichendes Angebot an preiswerten Wohnungen geschaffen und gleichzeitig der vielfach zu beobachtenden Verödung der Ortskerne entgegengewirkt werden.
Anders als beim Bau von Massenquartieren abseits oder an der Peripherie von Städten und Gemeinden, was nicht zuletzt Nachbarschaftsproteste verhindern soll, kann die Erschließung ungenutzter innerörtlicher Bausubstanz helfen, das gesellschaftliche Zusammenleben zu stärken, die Ghettobildung zu verhindern und die Integration der Neuankömmlinge zu fördern.
Gelungene Bauprojekte im alten Siedlungsbestand gibt es in Baden-Württemberg in allen Landesteilen. Ihre Entstehung verdanken sie allerdings vielfach der Förderung durch das Land. Genannt seien die Förderprogramme „Fläche gewinnen durch Innenentwicklung“ des MVI und das „Modellprojekt zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs durch Aktivierung des innerörtlichen Potenzials (MELAP)“ des MLR. Diese Förderung hat in der Vergangenheit viele dieser Vorhaben erst möglich gemacht.

Der LNV fordert deshalb die Landesregierung auf, ein landesweites Förderprogramm für eine „qualifizierte Innenentwicklung“ aufzulegen und zu finanzieren. Dies allein wird jedoch nicht genügen. Für eine sachgerechte Erledigung der Aufgaben, angefangen bei der notwendigen Erhebung geeigneter Leerstände bis hin zur Planung und Durchführung passender Vorhaben wird fachkundiges Personal benötigt, über das die Kommunen, die Landkreise, die Regionalverbände und die Regierungspräsidien nicht ohne Weiteres verfügen. Auch hier ist Abhilfe zu schaffen. Nach Auffassung des LNV sollte dafür eine gemeinnützige öffentlich-rechtliche Anstalt geschaffen werden, die für die Umsetzung dieser Ziele bei den Kommunen sorgt.
Gelingt es auf diese Weise die Baunachfrage auf Innenentwicklungsprojekte zu lenken, entstehen dadurch kurzfristig nicht unerhebliche Kosten. Langfristig profitierten jedoch die Haushalte von Land, Städten und Gemeinden, weil sie von den hohen Folgekosten für die Herstellung, den Betrieb und die Instandsetzung der aufwändigen Versorgungs- und Entsorgungsinfrastruktur neuer Siedlungen im Außenbereich verschont bleiben. Außerdem zahlt es sich auch aus, wenn die energetischen Standards nicht zugunsten von Billigbauten wieder aufgegeben werden. Ausreichender Wärmeschutz dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern ist auf Dauer für die Nutzer auch kostengünstiger.
Nicht zuletzt ist aber ein solches Vorgehen ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung von Natur und Umwelt, für den noch unsere Kinder und Kindeskinder dankbar sein werden.

Nach der Volkszählung 2011 (Zensus 2011) gab es in Baden-Württemberg etwas mehr als 5 Millionen Wohnungen. Davon standen 4,1% oder rund 205.000 leer.
Leerstehende nicht Wohngebäude sind in Baden-Württemberg landesweit nicht erfasst.
Download: LNV-Pressemitteilung Wohnungsbau und Naturschutz

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