Einführung Jagd- und Wildtiermanagementgesetz

Kritik an Schnittstellenverlagerung vom Naturschutzrecht ins Jagdrecht

der LNV ist Dachverband der Natur- und Umweltschutzvereine des Landes. In ihm sind insgesamt 34 Vereine Mitglied, darunter auch der LJV, der ÖJV und der Landestierschutzverband. Seine Positionen zur Jagd hat der LNV im vergangenen Jahr in den neu verfassten „LNV-Positionen Natur und Umweltschutz beschrieben. Diese Positionen wurden in der Mitgliederversammlung des LNV im April 2013 einstimmig
– auch ohne Enthaltungen – verabschiedet.

Diese Positionen lauten: Der LNV setzt sich dafür ein, dass
• die Jagd in Schutzgebieten sich am jeweiligen Schutzzweck orientiert,
• die Bewirtschaftung des Schalenwildes so erfolgt, dass die Erhaltung und Schaffung artenreicher, naturnaher Mischwälder in der Regel ohne Schutz-maßnahmen möglich ist,
• bei der Jagd und beim Umgang mit Wild sowie bei der Jagdhundeausbildung die Grundsätze des Tier¬schutzes eingehalten werden,
• gute Lebensbedingungen für Wildtiere – auch im Offenland – erhalten oder geschaffen werden. Dazu ist es unter anderem erforderlich, die künftige Agrarförderung entsprechend auszurichten,
• für Gebiete mit Rotwildvorkommen in Baden-Württemberg Managementkonzepte erarbeitet werden unter Einbeziehung aller regionalen Akteure (Jagd, Forst, Landwirtschaft, Naturschutz, Tourismus), ggf. auch für Gams-, Dam-,Sika- und Muffelwild,
• Neozoen (Waschbär, Marderhund usw.) konsequent zu regulieren, wenn sie einheimische Tierarten und deren Lebensräume beeinträchtigen und/oder Nut-zungskonflikte verursachen,
• die Verbiss- und Schälsituation an der Vegetation in allen Waldbesitzarten und in Schutzgebieten durch die Forstbehörden in dreijährigem Turnus erfasst und jagdbezirksweise veröffentlicht wird,
• beim Rehwild künftig auf die behördliche Abschuss¬planung verzichtet wird. Kontroll- und Einwirkungs¬möglichkeiten der Jagdbehörden zur Wahrung der Interessen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie der Belange des Naturschutzes und der Land¬schaftspflege müssen erhalten bleiben und künftig konsequent eingesetzt werden.
• die Wildfütterung auf artspezifische Notwendigkei¬ten (Großcerviden) und Notzeiten beschränkt

Ihnen ist bekannt, dass ein Dachverband es manchmal mit unterschiedlichen Positionen zu tun hat. Dies ist auch hier der Fall. Das kann auch dazu führen, dass bei Stellungnahmen des LNV einzelne Mitgliedsvereine diese nicht in Gänze mittragen können. Es kommt dann zu eigenen Stellungnahmen dieser Mitglieder. Dies ist auch bei der anstehenden Novellierung des Landesjagdgesetzes der Fall.

Im Folgenden nehmen wir deshalb nicht zu allen Punkten der Novelle Stellung; vielmehr konzentrieren wir uns auf die für uns wichtigen Eckpunkte des Gesetzesentwurfs:

Managementstufen (sog. Schalenmodell)
In der Beschreibung des wesentlichen Inhalts des Gesetzes im Vorspann wird auf das Schalenmodell als wesentliche Neuerung abgehoben. Als Vorteil wird gesehen, dass die Zuordnung zu Schalen auf der Basis objektiver, wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgt. Dies wäre an sich begrüßenswert. Größte Bedenken sind jedoch angebracht, wenn bereits im Gesetz (also ohne weitergehende Änderungen der Schalenzuordnung per Verordnung) eine ganze Reihe von Arten eher ausgewürfelt erscheinen als nach nachvollziehbaren Kriterien ausgewählt.

Nicht kalkulierbare Risiken für den Naturschutz sehen wir darin, dass potenziell SÄMTLICHE VÖGEL UND SÄUGERARTEN per Verordnung dem Jagd- und Wildtiermanagementrecht unterstellt werden können.

Deshalb sieht der LNV die Schnittstellenverlagerung weit in den Naturschutz hinein als kritisch an und würde eine klare Schnittstelle begrüßen: Tiere, an denen aktuell (z.B. Reh, Wildschwein etc.) oder potenziell (Auerhuhn, Rebhuhn) ein Verwertungsinteresse besteht ins Jagdrecht, der Rest (auch wenn regulierungsbedürftig) ins Naturschutzrecht.
Die Unterscheidung zwischen erster und zweiter Schale dagegen ist sachgerecht. Sie eröffnet Flexibilität bei Tierarten, die in manchen Regionen häufig und bejagbar sind, in anderen selten.

Tierschutz
Tierschutzaspekte werden an verschiedenen Stellen des Gesetzes gestärkt. Dies begrüßen wir, auch wenn der Tierschutz nicht dazu führen darf, dass eine Regulierung regulierungsbedürftiger Tierarten nicht mehr möglich ist. Wenn wildernde Katzen erst nach Genehmigung der unteren Jagd- bzw. Naturschutzbehörde geschossen werden dürfen, so sollte das nicht auf Schutzgebiete beschränkt sein. Auch außerhalb von Schutzgebieten leben schutzbedürftige und gesetzlich streng geschützte bzw. europarechtlich geschützte Arten.
Sichergestellt sein muss, dass in Gebieten mit gesichertem oder erwartetem Vorkommen von Wildkatzen aus Gründen der Verwechslungsgefahr Hauskatzenabschuss nur aufgrund einer Genehmigung erfolgen darf.
Ansonsten wäre eine Abstandsregelung mit Bedingungen in Anlehnung an das rheinland-pfälzische Jagdgesetz sachgerecht, also Abschussmöglichkeit von Hauskatzen in einer Entfernung von mehr als 500 Metern vom nächsten Wohnhaus, wenn erkennbar dem Wild nachstellend und nicht in menschlicher Obhut befindend, wenn sie sich nicht durch andere Maßnahmen als der Tötung vom Wildern abhalten lassen.

Wildfütterung
Entsprechend seiner Beschlusslage begrüßt der LNV das Verbot der Wildfütterung und geht davon aus, dass die Fütterung von Hirschen (Großcerviden) in bestimmten Situationen unter die Ausnahmeklauseln des Jagdgesetzes fällt.

Abschussregelung
Es wird begrüßt, dass die Abschussplanung für Rehwild abgeschafft wird.

Verbiss- und Schälsituation an der Vegetation
Allerdings kommt das Gesetz nicht der LNV-Forderung nach, die Verbiss- und Schälsituation revierweise in allen Waldbesitzarten zu publizieren (zu § 35).

Einzelaussagen

§ 5 Definition Wildtiermanagement
Die Definition ist so umfassend, dass sämtliche Naturschutzmaßnahmen darunter fallen können. Dies halten wir für problematisch.

§ 7 Wildtiere und Managementstufen
Nach dieser Definition können (per Verordnung !) potenziell sämtliche Vögel und Säugetiere ins Jagdrecht übernommen werden, für die Jäger potenziell Schutzmaßnahmen durchführen können. Gleichwohl bleiben alle europarechtlich geschützten Arten unter dem Regime des Naturschutzrechtes. Da die Erfahrungen mit Doppelzuständigkeiten zweier Verwaltungssparten nicht die besten sind, sollte die Liste der dem Jagdrecht unterliegenden Arten nicht ohne Not erweitert werden.
Die Schutzschale bzw. die Übernahme der darin befindlichen Tiere in das Jagdrecht lehnen wir daher ab. Darin befindliche Tiere mit traditioneller jagdlicher Nutzung (Auerhuhn, Rebhuhn) wären dann in die Entwicklungsstufe zu überführen.

§ 14 Befriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen
Die Befriedungsmöglichkeit von Grundflächen aus ethischen Gründen sollte auf Privatpersonen beschränkt bleiben und nicht auf juristische Personen ausgedehnt werden.

§ 48 Wildtierschützer
Es ist unklar und wird auch aus der Begründung nicht klar, weshalb diese Funktion eingeführt werden soll. Revierinhaber können ohnehin Aufgaben in ihrem Revier übertragen und auch die Jagd ausüben lassen.

§ 59 Landesbeirat Jagd und Wildtiermanagement
Der Beirat hat ein wesentliches Mitspracherecht bei der Zuordnung von Tieren zu den Managementstufen. Die Zusammensetzung ist dergestalt, dass die Vertreter des Naturschutzes eine kleine Minderheit sind und die Vertreter der Organisationen, die sich als „Nutzerverbände“ gemeinsam zum Jagdgesetz positioniert haben, immer eine absolute Mehrheit haben. Angesichts der Tatsache, dass hier auch über Tiere entschieden werden kann, die dem Naturschutzrecht unterliegen und bisher nicht mit Jagd in Verbindung stehen, ist dies nicht akzeptabel. Wir bitten um Prüfung eines Vetorechts für die Naturschutzvertreter im Beirat.

§ 46 Generalwildwegeplan
Wir begrüßen die Verankerung des Generalwildwegeplans, der der zunehmenden Zerschneidung von Lebensräumen entgegen wirken soll, ausdrücklich.

§ 60 Beirat bei der unteren Jagdbehörde
Es fehlt ein Sitz für die Naturschutzverbände in den Beiräten der unteren Jagdbehörde, den wir hiermit für den LNV als koordinierenden Dachverband einfordern möchten.
Das Verfahren für die Bestellung und Abberufung der Mitglieder sollte nicht der unteren Jagdbehörde überlassen bleiben, sondern in einer Beiratsverordnung, wie in anderen Bereichen auch, geregelt werden, um landesweit einheitliches Verwaltungshandeln zu erreichen.

Die vollständige LNV-Stellungnahme finden Sie hier:

Stellungnahme zum Jagd- und Wildtiermanagementgesetz

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