Umsetzung von baurechtlichen Ausgleichsmaßnahmen

LNV-Info 1/2015

Ergebnisse einer Umfrage bei den regionalen LNV-Arbeitskreisen
Immer wieder wurde in der Vergangenheit von verschiedener Seite beanstandet, dass in Bebauungsplänen festgesetzte Kompensationsmaßnahmen (also Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) entweder überhaupt nicht oder unzureichend umgesetzt werden. Der LNV wollte anhand konkreter Fälle wissen, wie verbreitet solche Missstände sind und startete im Mai 2015 eine diesbezügliche Umfrage bei allen LNV-Arbeitskreisen mit der Bitte um Nennung von Kreis, Ort, Name des Bebauungsplans, Datum des Inkrafttretens sowie Nennung der Ausgleichsmaßnahmen, die nicht oder mangelhaft umgesetzt wurden.
Trotz der kurzen Frist von zwei Wochen erreichten die LNV-Geschäftsstelle insgesamt 8 Rückmeldungen:
3 Rückmeldungen aus dem Regierungsbezirk Karlsruhe,
1 Rückmeldung aus dem Regierungsbezirk Freiburg,
1 Rückmeldung aus dem Regierungsbezirk Stuttgart sowie
3 Rückmeldungen aus dem Regierungsbezirk Tübingen.

Zwei Rückmeldungen enthielten eher Informationen allgemeiner Art. In den übrigen Rückmeldungen wurde neben allgemeinen Missständen auch Bezug auf rund 20 konkrete Fälle genommen.
In zwei Rückmeldungen wurde darauf hingewiesen, dass einige Gemeinden im jeweiligen Kreisgebiet Ausgleichsmaßnahmen vorbildlich oder doch zumindest gut umsetzen, leider aber Negativbeispiele überwiegen.

Insgesamt häufig bemängelte Punkte waren:
• Umsetzungsdefizit: Fehlende oder mangelhafte bzw. von der ursprünglichen Planung abweichende Realisierung/Umsetzung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen und Pflanzgebote.
• Kontrolldefizite: Mangelnde (fachliche) Kontrolle der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen (und auch der Schutzmaßnahmen während der Bauzeit): Kontrollen erfolgen gar nicht oder nur unzureichend, häufig zudem durch nicht ausreichend qualifiziertes Personal, was insbesondere bei Maßnahmen, die naturhaushaltliche oder tierökologische Funktionen erfüllen sollen (bspw. Bachrenaturierungen, CEF-Maßnahmen zur Schaffung von Ersatzhabitaten, Wanderkorridore für Arten) als überaus kritisch zu werten ist.
• Fehlende Transparenz: Die Naturschutzverbände werden zumeist nicht über die angeordneten Ausgleichsmaßnahmen geschweige denn vertragliche Vereinbarungen zu den Maßnahmen informiert, um ggf. selbst die Umsetzung überprüfen zu können. Nur selten wird ein Monitoring vorgeschrieben, dessen Ergebnisse allerdings nicht allgemein zugänglich veröffentlicht werden. Die Recherche und Informationsbeschaffung bei den Behörden wird als umständlich, die Einsichtnahme in Akten als zeitaufwändig und mühsam empfunden.
• Ökokontoführung der Gemeinden: Sie wird als undurchsichtig empfunden; es ist nicht immer nachzuvollziehen, welche Maßnahme welchem Vorhaben zugeordnet und wo sie umgesetzt wird. Es werden Doppelbuchungen befürchtet. Für Ausgleichsmaßnahmen werden in der Eingriffs-/ Ausgleichsbilanzierung häufig (zu) viele „Ökopunkte“ angerechnet oder im Ökokonto (zu) hoch verzinst.

Vereinzelt wurden u.a. genannt:
• Unzureichende Auflagen in der Baugenehmigung, z.B. ein fehlendes Nachbesserungsgebot, falls die Maßnahmen nicht die gewünschte Entwicklung zeigen.
• Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für Vorhaben, die von den Vorgaben eines Bebauungsplans abweichen, ohne eine Nachbilanzierung der Eingriffe vorzunehmen.
• Langjährige Verzögerungen bis zur Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen aufgrund anstehender bzw. laufender Flurbereinigungsverfahren.
• Genehmigung von Bauten im Vorgriff auf die zu erwartende Genehmigung des Bebauungsplans unter Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen, dann aber Bebauungsplanung über ein beschleunigtes Verfahren nach § 13 BauGB (ohne Ausgleichserfordernis).
• Fehlende Information der Grundbesitzer: Der Eigentümer einer Streuobstwiese fällte die Obstbäume, obwohl diese im Bebauungsplan als „Pflanzbindung“ gesichert waren.
• Nur selten oder gar nicht werden vorgezogene Kompensationsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) vorgeschrieben mit dem Argument, die von der Planung betroffenen Tiere könnten in die Umgebung ausweichen, wofür aber meist eine fundierte Begründung fehlt.

Die eingegangenen Rückmeldungen stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus der Planungspraxis der Gemeinden Baden-Württembergs dar. Auffällig war aber der große Zuspruch zur Umfrage, auch von LNV-AKs, die sich nicht daran beteiligten. Geäußert wurde in dem Zusammenhang die Schwierigkeit für ehrenamtliche Naturschützer/innen, vermutete Umsetzungsdefizite konkret zu dokumentieren. Der LNV geht auch deshalb davon aus, dass die beschriebenen Missstände durchaus verallgemeinerbar sind und es um die sachgerechte Umsetzung baurechtlicher Ausgleichsmaßnahmen im Lande schlecht bestellt ist.

Als Ursache für die fehlende bzw. mangelhafte Umsetzung von Maßnahmen und deren unzureichende Kontrolle seitens der zuständigen Behörden werden von den LNV-AKs v.a. Zeitmangel – resultierend aus personeller Unterbesetzung – fehlendes sachkundiges Personal sowie fehlende rechtliche Zuständigkeiten („Planungshoheit der Gemeinden“) genannt. Gemeinden haben zwar eine umweltbezogene Monitoringpflicht, müssen also überprüfen, ob die Maßnahmen umgesetzt wurden und auch wirksam sind; es ist aber fraglich, ob dies eine Mehrheit der Gemeinden tatsächlich tut.

Der LNV sieht die unbefriedigende Situation auch als Ausfluss einer unbefriedigenden Rechtslage an. Selbst wenn nach Ansicht der Naturschutzbehörden ein Bebauungsplan einer Gemeinde die Kompensationspflicht nicht rechtskonform berücksichtigt, hat die Naturschutzbehörde keine Einspruchsmöglichkeit.

Ebenso kann sie bei fehlender oder mangelhafter Umsetzung festgesetzter Kompensationsmaßnahmen zwar die Gemeinde darauf hinweisen, hat aber keine Sanktionsmöglichkeiten. Nicht einmal die Monitoringpflicht der Gemeinden kann sie einfordern. Dies ergibt sich aus der aktuellen Interpretation der kommunalen Planungshoheit. Lediglich die Kommunalaufsicht könnte hier einschreiten. Zu deren Prioritäten gehört jedoch die Einforderung naturschutzrechtskonformen Handels bisher nicht – diplomatisch ausgedrückt. Es ist noch kein Fall bekannt, wo die Kommunalaufsicht solche Mängel beanstandet hätte. Und leider sind hier auch die Naturschutz- und Umweltverbände nicht klageberechtigt, soweit nicht gegen EU-Naturschutzrecht verstoßen wird.

Der LNV wird in dieser Sache das Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden und anderen Akteuren suchen. Es soll zunächst erreicht werden, dass alle baurechtlichen Kompensationsmaßnahmen im Internet dokumentiert werden – wie es bei den naturschutzrechtlichen schon geschieht. Dies kann jedoch nur der erste Schritt zum Abbau des Vollzugsdefizits sein. Der LNV hofft, dass auch die Mehrzahl der Kommunen von den Vorteilen einer rechtssicheren Planung und ihrer konsequenten Umsetzung überzeugt werden können.

Über die Umfrage unter den LNV-Arbeitskreisen zum baurechtlichen Ökokonto gab es auch einen Pressebericht der Südwestpresse vom 03.09.2015

Dr. Gerhard Bronner, LNV-Vorsitzender
Julia Flohr, LNV-Arbeitskreisbetreuerin

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