VCD-BUND-LNV-Stellungnahme zum ÖPNV-Gesetz

Zusammenführung von Aufgabenträgerschaft und Finanzverantwortung begrüßt


Anhörung Regelungsentwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Planung,
Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs und des Finanzausgleichsgesetzes

I. Grundsätzliche Anmerkungen
Grundsätzlich begrüßen VCD und BUND das Ziel der Landesregierung, die Finanzierung des ÖPNVs neu zu regeln und zukunftssicher zu machen. Ebenfalls begrüßen wir die geplante Kommunalisierung. Es ist sachgerecht, die Aufgabenträgerschaft und Finanzverantwortung für den ÖPNV bei den kommunalen Aufgabenträgern (Landkreise und kreisfreie Städte) zusammenzuführen. Dadurch wird sich der Gestaltungsspielraum der kommunalen Aufgabenträger künftig wesentlich erhöhen. Sie können damit die ihnen zugewiesenen Mittel – über den Ausgleich für rabattierte Fahrausweise im Ausbildungsverkehr hinaus – gezielt und effizient für weiter verbesserte Tarif- und Verkehrsleistungen im ÖPNV einsetzen. VCD und BUND erwarten auf diese Weise ein deutlich verbessertes Busangebot, vor allem auch in den ländlichen Regionen.

Insbesondere begrüßen wir die Erhöhung der Mittel um 50 Millionen Euro p.a., nachdem die Finanzmittel schon seit mindestens 10 Jahren konstant geblieben sind und in diesem Zeitraum die Fahrpreise für die Fahrgäste weit über der Inflationsrate angestiegen sind.

II. Weitergehende Anregungen

Konkret sollten im Gesetz folgende Punkte berücksichtigt werden:

1. Erhöhung der Finanzmittel / Weiterentwicklung Verteilschlüssel

Das Gesetz über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNVG) vom 8. Juni 1995 [GBl. S. 417], regelt unter § 1 Zielsetzung, dass der öffentliche Personennahverkehr im gesamten Landesgebiet im Rahmen eines integrierten Gesamtverkehrssystems als eine vollwertige Alternative zum motorisierten Individualverkehr zur Verfügung stehen [soll]. Er soll dazu beitragen, daß die Mobilität der Bevölkerung gewährleistet, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg gesichert und verbessert sowie den Belangen des Umweltschutzes, der Energieeinsparung und der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs Rechnung getragen wird. Jedes Verkehrsmittel im öffentlichen Personennahverkehr soll im Rahmen seiner besonderen Vorteile eingesetzt werden.

Dieser Anspruch des ÖPNVGs einer vollwertigen Alternative zum Autoverkehr ist leider bisher noch nicht umgesetzt, doch in dem vorliegenden Gesetz sehen wir einen wichtigen Schritt zur Realisierung der Zielsetzung. Insbesondere die Erhöhung der Finanzmittel um 50 Millionen Euro pro Jahr ist hierfür geeignet.

Zur Erreichung der Klimaschutzziele ist ein stärkerer Ausbau des ÖPNVs unablässlich, wie zahlreiche Studien aufgezeigt haben. Wir verweisen insbesondere auch auf das „Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept“ (IEKK) der Landesregierung sowie auf die Festlegungen des Koalitionsvertrags, die eine durchgreifende Verbesserung des ÖPNV bereits in dieser Legislaturperiode vorsehen. Deshalb möchten wir anregen, die Erhöhung der Finanzmittel nicht erst im Jahr 2021, sondern bereits 2018 beginnen zu lassen, da sonst die volle Wirkung der Maßnahme erst in der nächsten Legislaturperiode greifen würde.

VCD und BUND begrüßen auch, dass der bisherige Verteilschlüssel der Finanzzuweisungen unter Berücksichtigung raumstruktureller (Flächengröße der Bedienungsgebiete) und leistungsbezogener Parameter (Angebotsumfang, Fahrgastnachfrage) weiterentwickelt werden soll. Ziel sollte eine „Belohnung“ der Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen sein, die – differenziert nach Regionstypen – durch besonders innovative Angebote und Initiativen überdurchschnittliche Fahrgastzuwächse realisieren können. Der neu entwickelte Verteilschlüssel sollte allerdings nicht erst ab 2021, sondern bereits früher angewendet werden. BUND und VCD bitten darum, an diesem Prozess beteiligt zu werden.

2. Verstetigung der Finanzierung

Zur weiteren Verstetigung der Finanzierung regen wir eine jährliche Dynamisierung der Mittel an, wie dies auch bei den Regionalisierungsmitteln für die Finanzierung des SPNVs (in Höhe von 1,8% p.a.) gesetzlich geregelt ist. Damit könnten Kostensteigerungen sachgerecht ausgeglichen und insofern neue Angebote langfristig gesichert werden.

3. Koalitionsvertrag

Der grün-schwarze Koalitionsvertrag tritt für gleichwertige Lebensverhaltnisse in allen Teilen des Landes ein. Eine ÖPNV-Offensive in der Fläche soll zu einem verlässlichen Gesamtsystem des öffentlichen Verkehrs im Land beitragen. Ziel ist es, bis 2025 ein landesweites bedarfsangepasstes und verlässliches Grundangebot von frühmorgens bis spätabends im Stundentakt zu schaffen. Aus diesem Grund – und in Anlehnung an das ÖPNVG, das für den Schienenverkehr ein attraktives und möglichst vertaktetes Angebot anstrebt, sollte auch beim hier vorliegenden Gesetz konkret das landesweite bedarfsangepasste und verlässliche Grundangebot von frühmorgens bis spätabends im Stundentakt formal als Ziel verankert werden und nicht erst in späteren Ausführungsbestimmungen beschrieben werden.

4. Zuständigkeiten / Aufgabenträgerschaften

Das Land ist Aufgabenträger für den SPNV und soll nach dem Zielnetz 2025 für den Eisenbahnverkehr ein flächendeckendes Angebot von 5 bis 24 Uhr im Stundentakt anbieten, ggf. auch bedarfsorientiert. Die Bedarfsorientierung verstehen wir dabei so, dass auf schwach nachgefragten Strecken im Zweifel die Umsetzung auch durch die Einrichtung von Bus-, Rufbus- oder Ruftaxi-Systemen erfolgen können soll. Dazu müsste allerdings das Land auch Aufgabenträger für die Bestellung solcher im Vergleich zum Schienenverkehr „alternativer Bedienungsformen“ sein, denn nach geltendem ÖPNV-Gesetz wären dafür die Stadt- und Landkreise zuständig.
Da Schienenstrecken sich häufig über mehrere Aufgabenträger des ÖPNVs hinweg erstrecken, bestünde hier bei der Zuständigkeit der ÖPNV-Aufgabenträger für die Bestellung von bedarfsorientierten Angeboten auf den Schienenverkehrsrelationen ein unnötiger Koordinierungsaufwand, so dass besser das Land an dieser Stelle auch Aufgabenträger für die Umsetzung dieser bedarfsorientierten Angebote entlang der Schienenstrecken sein sollte. Wir regen daher an, das ÖPNV-Gesetz dahingehend zu ergänzen, dass das Land auch Aufgabenträger für den straßengebundenen ÖPNV wird, insoweit dieser im Zuge von SPNV-Linien schienengebundene Leistungen funktional ersetzt oder ergänzt.

5. Änderungsvorschläge im Detail

5.1 Zielsetzung

Anstelle

§ 1 wird folgender Satz angefügt:
„Zur Erreichung dieser Ziele sollen grundsätzlich die zuständigen Aufgabenträger auch die Ausgabenverantwortung tragen.“

schlagen wir folgende Änderung vor:

§ 1 werden folgende Sätze angefügt:

„Im ÖPNV soll ein landesweites bedarfsangepasstes und verlässliches Grundangebot von frühmorgens bis spätabends im Stundentakt geschaffen werden. Zur Erreichung dieser Ziele sollen grundsätzlich die zuständigen Aufgabenträger auch die Ausgabenverantwortung tragen.“

5.2 Finanzierung

§ 15 Absatz 3 wird wie folgt geändert:

(3) Die Aufgabenträger … erhalten darüber hinaus zusätzliche jährliche Zuweisungen für weitere Verkehrs- und Tarifleistungen im öffentlichen Personennahverkehr im Jahr 2018 in Höhe von 16.670.000 €, im Jahr 2019 in Höhe von 33.330.000 € und ab dem Jahr 2020 in Höhe von 50.000.000 €.

§ 15 wird um einen Absatz 7 wie folgt ergänzt:
(7) Nach 2020 erhöhen sich die Beträge gemäß Absatz 4 jährlich um 1,8%, erstmals mit Wirkung zum 1.1.2021.

5.3 Zuständigkeit

In § 6 Absatz 2 wird nach Satz 1 eingefügt

Dies beinhaltet auch die Aufgabenträgerschaft für straßengebundene Leistungen des ÖPNV, soweit sie auf Strecken des Schienenpersonennahverkehrs das Angebot in seiner Funktion ergänzen.

Wir bitten um Berücksichtigung unserer Anregungen im weiteren Verfahren und stehen
für vertiefende Gespräche gerne zur Verfügung.

Stellungnahme zum ÖPNV-Gesetz

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